Geschichte und Politik sind immer wirtschaftlich, geographisch begründet, auch wenn es heißt, dass Männer die Geschichte machen und Frauen sich mit den Männern verbinden, die etwas zu bieten haben um ihren Kindern ein Aufkommen zu sichern. Wirtschaftsgeographie und damit die Geopolitik sind aber der eigentliche Hintergrund von Geschichte und Politik. Silesia, Schlesien, ist schon vor unserer Zeitrechnung eine wirtschaftlich günstige Gegend als Land an beiden Seiten des Oderstromes als Lebensader, dem viele Flüsse aus den Sudeten und von Posen/Großpolen zuströmen, die immer schon Lebensadern auch bei Jägern und Sammlern waren. Vor der Völkerwanderung waren die Silinger ein Teilstamm der Vandalen (die bekanntlich bis Karthago kamen). Bewohner, die einer Klimaverschlechterung oder auch Überschwemmungen auswichen. Nach ihnen sickerten Westslawen als Jäger und Sammler ein: Die Bevölkerungsdichte war 2 Menschen pro Quadratkilometer, heute müssen wir mit 150 rechnen. Schlesien ist immer die reichste Ostprovinz des Deutschen Reiches gewesen, über die Ostkolonisation ab 1000n. Chr., als "Rückrat" von Böhmen/Mähren und Habsburg und als die Provinz, die Preußen die Übermacht im Reich brachte. Diese Bedeutung hat es bis zum heutigen westverlagerten Polen, das nur über das entwickelte Schlesien die Brücke zu Europa neu schlagen kann.
Schlesien ist das Flussgebiet eines Stromes bis zum Zusammenfluss mit der Görlitzer Neiße. Als Gebiet von ca 35.000 qkm für einen souveränen Staat auch schon im Mittelalter zu klein und nicht mit geographischen Grenzen ausgestattet (die Sudeten waren immer schon durchgängig). Deshalb war es in der Geschichte lange Jahre mit Böhmen/Mähren, mit Habsburg, auch mit der Lausitz und Polen verbunden. Als Ergänzungsgebiet für Preußen zwischen Pommern, Mark Brandenburg und Ostpreußen war es für die Vormacht dieses Staates in Deutschland entscheidend so wie es heute für Polen staatsbedingend ist. Die Lausitzer Kultur (1250-750 v. Chr.) mit ihren Gefäßen und Grabungen ist in die Geschichte eingegangen. Aus dieser Zeit kennen wir schon den Mons Silenicii (Zobten) als Heiligen Berg Schlesiens. Um 500 n. Chr. Wanderten die Germanen bis auf Reste ab und im 9. Jahrhundert hatten die Westslawen das Land schon in 100 Burgbezirke eingeteilt. Im 10. Jahrhundert gelang es Miesko I. (963-992), Sohn von Boleslaw dem Tapferen aus dem Geschlecht der polnischen Piasten im Raum zwischen Oder-Weichsel begrenzt durch Ostsee, Sudeten und Karpaten die westslawischen Stämme locker zu einen. Gefördert wurde der Zusammenschluss durch die Christianisierung aber auch durch die Errichtung des Erzbistums Gnesen (durch seinen Freund Otto III.), dem ersten Bistums außerhalb des Reiches. Nicht umsonst haben die Polen das Millenium von Gnesen besonders gefeiert und außer der Reihe die Konsultationsgespräche mit unserem Bundeskanzler nach Gnesen gelegt. Die meisten deutschen Teilnehmer haben dieses Datum der polnischen staatlichen Identität gar nicht begriffen. Miesko I. weitete seine Herrschaft mit dem Christentum auch über Pommern, Böhmen/Mähren, die Slowakei und die westliche Ukraine aus. Dieses typisch polnische Ausgreifen nach allen Seiten war aber wirtschaftlich und kulturell nicht gestützt und führte zum Zusammenbruch unter Miesko II. (1033-1055) Nur mit deutscher Hilfe konnten dann Boleslaw II. und III. das polnische Kernland gegen einen heidnischen Aufstand zusammenhalten. Boleslaw III. nahm Pommern vom deutschen König Lothar zu Lehen und unterwarf sich wieder dem Reiche und teilte Polen unter seinen Söhnen auf, weil es nicht durch eine zentrale wirtschaftliche und kulturelle Macht zentral regiert werden konnte. Aus dieser Zeit ist nur der Fernhandel mit Bernstein, Pelzen, groben Tuchen, Gefäßen und orientalischen Gewürzen bekannt. Man lebte weitgehend autark in kleineren Herrschaften wie auch im Heiligen Römishen Reich Deutscher Nation.
Westorientierung der Piastenhäuser:
Vor allem die schlesischen Piastenhäuser schlossen sich dem Reich immer mehr durch Heirat von Frauen aus deutschen Adelshäusern an und waren nach einigen Generationen kaum mehr als polnisch anzusprechen. Die Frauen brachten Gesinde und Kulturtechniken mit, die auf das Land einwirkten. Es entstand auch der kulturelle Sog nach dem höheren Lebensstandart. Die berühmteste dieser Heiraten wir die von Hedwig von Andechs und Meran mit dem Piasten Heinrich I. (Hedwigs Schwestern heirateten z.B. Könige von Ungarn und Frankreich). Sie wurden schon im Alter von 12 Jahren versprochen! Hedwig gründete mehrere Klöster zur Landesentwicklung (Leubus, Trebnitz, Naumburg/Bober). Dadurch wurden neue Landtechniken eingeführt: Eisenpflug, Dreifelderwirtschaft und Viehhaltung, die Jagd und Fischfang ergänzten. Schlesien bekam einen derartigen Entwicklungsschub, dass Heinrich I. seine Herrschaft auf andere Teile Polens ausdehnen konnte. Deutsche Siedler wurden ins Land gerufen, um Städte zu bauen und in die Wälder der Sudeten Waldhofendörfer vorzutreiben. Auf diese Weise wurden Straßen geschaffen und auch das Steueraufkommen gehoben. Heinrich II. verlor zwar die Mongolenschlacht (1241) bei Liegnitz, aber die Eroberung durch die Mongolen wurde gestoppt. Es entstanden Städte und Kirchenbauten, die nur durch wirtschaftliche Prosperität über die Zehntensteuer zu erklären sind. Hedwig starb als Nonne 1243 wurde aber schon 1267 heilig gesprochen, weil sie in ihrem Wirken für den Ausbau des Landes und der Macht der Kirche viel geleistet hatte. Sogar italienische Baumeister konnte man sich in Schlesien leisten, das in seiner wirtschaftlichen Bedeutung gleich nach dem Königreich Böhmen kam. Aus dieser Zeit sind Gerätschaften aus Eisen, Kupfer und Ton bekannt, Silber wurde gefördert, man handelte mit Rauchwaren, Wolle, Tuchen, Wachs und orientalischen Gewürzen und Seiden. In dieser Zeit entstand die "Hohe Straße" von Leipzig über Dresden, Bautzen, Görlitz, Liegnitz, Breslau, Brieg, Oppeln, Krakau bis Lemberg, die auch über Nürnberg, Prag, Kuttenberg und Glatz erreicht werden konnte. Der Silber- und Goldbergbau spielten bis zur Entdeckung Amerikas in den Sudeten (Freudenthal 1231) und den Karpaten schon wegen des Münzgeldes eine große Rolle. Die Ulmer Fugger und Welser hatten Gruben in der Slowakei wie später in Südamerika. Letztere waren ergiebiger und ließen den Bergbau hier zurückfallen. Kurzzeitig hatte der Pzemyslide Ottokar II. von Böhmen ( 1253-78) auf Grund der wirtschaftlichen Stärke seines Stammlandes die Herrschaft über Schlesien, Brandenburg und sogar Österreich bis an die Adria. Er unterstützte den Kreuzzug gegen die Pruzzen. Er wurde sogar zum deutschen König vorgeschlagen. Aber trotz der wirtschaftlichen und rechtlichen Überlegenheit hatte es sich übernommen. Unter seinen Söhnen (1305) starb sein Geschlecht aus und der Thron in Prag wurde von den Luxemburgern besetzt. Karl IV. kommt zur Macht. Er war deutscher Kaiser und machte Böhmen zum Hauptlande von Deutschland und erneuerte die Herrschaft auch über Schlesien, machte Prag zur Hauptstadt (länger als es Berlin je war), verlieh Böhmen in Vorstimmrecht und schuf das Goldene Prag mit seinen Bauwerken, richtete die erste Universität nördlich der Alpen ein (1348). Seinen Sohn Wenzel (11 Monate) versprach er mit Anna (11 Jahre) von Schweidnitz - Jauer (1350) und sicherte sich so die wirtschaftliche Kraft Schlesiens durch die berühmte Heiratspolitik, die man den Habsburgern zuschreibt. Damit wurde Schlesien aus dem polnischen Verband endgültig herausgelöst und war 600 Jahre in der gleichen wirtschaftlichen Entwicklung wie die deutschen Gebiete.
Kasimier II. von Polen (1333-1370) verzichtete in den Verträgen von Trentschin (1335) und Kalisch (1338) auf die Vorherrschaft über Pommern, Schlesien und das Ordensland (Westpreußen). Schlesien hatte sich in der Infrastruktur, baulich wirtschaftlich besser entwickelt als die groß- und kleinpolnischen Gebiete und wollte daher nicht mehr tributpflichtig sein. Der Bergbau lebte von den Erfahrungen des im Mittelalter führenden Harzes und des Erzgebirges. Die Wälder boten bis ins 19. Jahrhundert, als von Reeden die Koksmethode erfand, die Grundlage für die Holzkohle mit der man Zink, Blei, Kupfer und Eisen verhütten konnte. Der Wasserweg der Oder und ihrer Nebenflüsse waren bedeutender als die Straßen, die andere Provinzen erschlossen.
Schlesien im Einfluss von Böhmen und Österreich:
Im 14. Jahrhundert kam also Schlesien völlig unter den Einfluss der Luxemburger, die auf dem Thron Böhmens saßen. Böhmen war das erste Königreich im "Heiligen Römischen reich Deutscher Nation" weil es auf guten Böden reiche Ernten einbrachte und in den Randgebirgen genug Erze für die mittelalterliche Wirtschaft besaß. Böhmische Verwaltung und böhmisches Bergrecht beherrschten den Osten. Leider bestand ein religiöser Gegensatz zur uneingeschränkten Herrschaft der katholischen Kirche der zu den 15jährigen Hussitenkriegen führte, die nicht nur Böhmen, sondern auch alle angrenzenden Länder und Schlesien verheerten und auch einen Gegensatz von Deutschen und Tschechen aufbrechen ließen. Böhmen/Mähren wie auch Schlesien kamen unter die Herrschaft der Habsburger, die aber nach Luthers Reformation (1517 ff) eine gnadenlose Gegenreformation durchführten, die die wirtschaftliche Spitzenstellung behinderte. Der dreißigjährige Religionskrieg (1618-1648) traf Schlesien auch schwer, ein Drittel der Bevölkerung kam zu Tode.
Einer der letzten Piasten hatte schon 1537 mit Brandenburg einen Erbvertrag geschlossen, dass nach dem Aussterben der Linie das Land an Preußen fallen sollte. Preußen musste auf eine Einlösung gegenüber dem starken Österreich verzichten, aber Friedrich II. erfasste 1840 die Situation als Habsburg ohne männlichen Erben dastand und griff nach Schlesien, das immer schon ein Brückenland zwischen den beiden Ländern war und dessen evangelische Teile nach Religionsfreiheit strebten. In zwei Kriegen 1742 und 1756 - 1763 musste er gegen die Österreich-Ungarn und Sachsen diese Beute bis zur Erschöpfung verteidigen, Rußland und Frankreich standen zeitweise gegen ihn. Habsburg konnte nur 1/7 des Gebietes "Österreich-Schlesien (Jägerndorf, Troppau, Bielitz, Teschen) im Südosten behalten. Maria Theresia verstand den wirtschaftlichen Verlust, der ihre Vorherrschaft im Reich kostete.
Schlesiens wirtschaftlicher Ausbau durch Preußen:
Aber nach den fürchterlichen Kriegen zeigte Friedrich d. Große seine wirtschaftlichen Fähigkeiten. Er ließ die Religionen tolerieren und schuf eine Infrastruktur, die ein Erblühen des Landes förderten, wie er es in Ostfriesland mit dem Fehn- und Kanalbau und durch die Trockenlegung des Oderbruches gezeigt hatte. Er bedrängte auch die Katholiken nicht, die immer an der Seite Habsburgs gestanden hatten, sondern ließ die Jesuiten sogar die Breslauer Universität ausbauen. Oberschlesien wurde das erste Schwerindustriegebiet Deutschlands mit seinen guten, mächtigen Kohleflözen. Die Oder wurde besser schiffbar gemacht und bekam über Stettin die natürliche Verbindung zur Ostsee und damit zur Welt. Durch ein Kanalsystem wurde Berlin erreichbar, später kam durch den Mittellandkanal die Verbindung bis zum Ruhrgebiet. Die evangelische Bevölkerung Schlesiens atmete auf und zeigte große Leistung. Schlesien hatte nun eine bessere Verbindung nach Westen gefunden als die durch die Mährische Pforte nach Wien. Vor allem in den Napoleonischen Kriegen (1806-1815) war Schlesien das Rückrat Preußens, das seine Gebiete in Westfalen verloren hatte. In Schlesien wurde die erste Zuckerfabrik aufgebaut, die das Rohrzuckermonopol brach. Die Heere der Befreiungskriege (1809-1915) wurden in Schlesien ausgerüstet. Der Aufruf an mein Volk zum Widerstand gegen Napoleon erging in Breslau. Die Landwehr erfocht ihren ersten Sieg an der hochwasserführenden Katzbach. Der erste Hochofen Deutschlands wurde in Königshütte angeblasen. Schlesien wurde zum Lebensmittelversorger von Berlin und schickte seine Menschen zum Aufbau der Hauptstadt. Dichter und Denker (Eichendorff) kamen aus diesem Land. Schlesien stellte die größte Zahl der deutschen Nobelpreisträger. Breslau war die fünftgrößte Stadt Deutschlands. Professor Sauerbruch hatte seine ersten Erfolge dort. Sicher gab es auch soziale Not, als die Handweber gegen die neuen Webstühle mit Hungerlöhnen konkurrieren sollten, aber auch einen Dichter wie Gerhart Hauptmann, der ihre Not zu Gehör brachte. Adolph von Menzel malte sein berühmtes Industriebild "Das Eisenwalzwerk in Königshütte". Mit Eisenbahnen wurde Schlesien zur gleichen Zeit erschlossen, wie die Westteile Deutschlands. Die Jahrhunderthalle in Breslau war eine architektonische Meister- und Industrieleistung. Schlesien brachte ein Zehntel der Industrieleistung Deutschlands, Ferdinand Lasalle, der Begründer der SPD, stammte aus Breslau. Das Land versorgte die doppelte Einwohnerzahl mit Lebensmittel (z.B. auch durch Fischzucht). Ober- und Niederschlesien folgten knapp auf die wirtschaftliche Leistung von Westfalen mit dem Ruhrgebiet. Kunst und Literatur entstanden auf dem wirtschaftlichen Erfolg, den wir 1865 auch in dem berühmten Roman "Soll und Haben" von Gustav Freytag nachlesen können, der an der Grenze zu Russisch - Polen spielt.
Polens Einfluss und Zukunft in Schlesien:
Die Abtrennung Ost - Oberschlesiens entgegen des Abstimmungsergebnisses 1921 nahm 80% der Schwerindustrie und Kohlgruben, 1938 hatte sich das Verhältnis schon wieder umgekehrt. Nun ist Schlesien Polens reichste Landschaft und landwirtschaftlich, wenn man die Dreiteilung übersieht. Eduard Gierek hatte seine Hausmacht dort. Aber die Industrieanlagen sind veraltet und die Umweltverpestung nicht europafähig, daran wird aber schon mit Europamitteln gearbeitet. Auf Schlesien mit seiner prosperierenden Hauptstadt Breslau liegt die Hoffnung der Polen, sich wieder an das westliche Europa anschließen zu können.
Über die früheren Ruhrkumpel und verbliebenen Oberschlesier besteht der größte Kontakt nach Deutschland. Schlesien erhält dadurch wieder eine Anbindung nach Westen, die ihm 60 Jahre zu seiner Entfaltung fehlte. Es wird wieder Brückenland zwischen West- und Ostmitteleuropa. Möge wirtschaftlicher Erfolg alte Neidgesichtspunkte überwinden.
Georg K. Schmelzle
Dipl. Sozialwirt, OstR.
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