Foto von Angelus Silesius | ||||||||||||||
Neuer Glogauer Anzeiger, Nummer 9, September 2001Große Schlesier: Angelus Silesius 1624 - 1677Die Albrechtstraße in Breslau verbreitert sich an ihrem Ende zu einem Platz. Im Zeitalter des Barocks bietet er ein lebendiges, farbenprächtiges Bild. Beherrscht ist er von dem breiten Palaisbau der Füsten Hatzfeldt. Der Würde und Anmut atmende Bau erscheint kleiner, fast zierlicher, als er in Wirklichkeit ist. Noch fehlen diesem beherrschten Barock üppig ausladende Zier, unruhige Bewegtheit, pathetisch gesteigertes, himmelstürmendes Selbstgefühl. Eine Prunkkutsche, mit sechs Pferden bespannt, hält gerade vor dem Palais, dem sieben Häuser in Reih und Glied huldigen. Drei weitere Kutschen, Gruppen vornehm gekleideter Standespersonen, Soldaten, Bedienstete, ein Kind, zwei Hündchen leihen dem daseinsfrohen Bild zarte und ernste, schwingende und kräftige Töne für einen in sich geschlossenen, erhebenden Akkord. Wir sind in dem damals noch zum habsburgischen Imperium gehörigen, in seinen Lebensformen von Wien bestimmten Breslau, und wir ahnen nichts von dem schrecklichen Glaubenskrieg, der damals tobte. Am östlichen Ende des Platzes aber erhebt sich die gotische Sankt-Adalbert-Kirche. Einem kolorierten Stich aus dem Anfang der dreißiger Jahre des 17. Jahrhunderts verdanken wir dieses Bild des Friedens. Täglich sah es der Knabe und Jüngling Johannes Scheffler; denn vom Süden her führt zu dem Platz die Mäntlergasse, in der seiner Familie Wohnstätte ist. Hier ist der Lebensaufgang des großen Schlesiers, der durch seinen Dichternamen Angelus Silesius den Ruhm seines Heimatlandes weit über Deutschlands Grenzen trug - wie nur wenige seines Stammes. Von seinen 53 Lebensjahren hat er 46 in Schlesien und von ihnen wieder 42 in Breslau verbracht. Kein anderer großer schlesischer Dichter hat so lange in der Hauptstadt gelebt. Johannes Scheffler ist der Breslauer Dichter, und in dem Breslau seiner Zeit mußten wir ihn daher aufsuchen. Genau sei auch sein Lebensraum topographisch umrissen. Es ist der Bezirk zwischen der Elisabeth- , der Maria-Magdalenen-Kirche und der Mäntlergasse, zwischen der Schuhbrücke und der Dominsel; immer aber hat in ihm jener Platz, den der alte Stich so lebendig festhält, seine unverlierbare Stätte! Er ist ein Kreuzungspunkt bedeutender Handelsstraßen, nach hier führten von Westen die von Liegnitz über Neumarkt, von Süden die von Neisse und Ottmachau, von Osten die über Ratibor, Oppeln und Brieg. Die östliche Straße muß Johannes Schefflers Vater bei der Übersiedlung von Polen nach Deutschland gezogen sein - aus der Krakauer Gegend nach Breslau. Er tat es aus Treue zum evangelischen Glauben, er, Stanislaus Scheffler, Herr zu Borwicze von und auf Koberschin, angesehener Edelmann der polnischen Krone. Er war begütert. Die Zinsen seines Kapitals allein reichten gut zum Leben. Scheffler war ein leidenschaftlicher, jähzorniger Mann, den der Rat der Stadt Breslau anläßlich eines Streitfalles energisch verweisen mußte: "Wir tun uns aber auch wegen der von dem Scheffler hierunter verübten mehrfaltigen Unbedachtsamkeit mit gebührender Straf wider ihn zu verfahren ausdrücklich vorbehalten ..." 62jährig heiratet er am 20. Februar 1624 in der Maria-Magdalenen-Kirche die 24jährige Maria Hennemann, Tochter eines angesehenen Breslauer Arztes. Der älteste Sohn, Johannes, empfängt am 25. Dezember 1624 in der gleichen Kirche das Sakrament der Taufe; sein genaues Geburtsdatum ist nicht bekannt. Dem weltläufigen, flukturierenden Leben zwischen Hatzfeltschem Palais und Sankt-Adalbert-Kirche steht der düstere Ernst des Elternhauses entgegen. Da ist der unbeherrschte, unbelehrbare, cholerische Vater, da ist die leidende Mutter. Zwei Kinder waren noch gefolgt, 1626 eine Tochter Magdalena, 1630 ein Sohn Christian. Johannes ist noch nicht 13 Jahre alt, da verliert er den Vater, zwei Jahre darauf die Mutter. Was soll es heißen, wenn im Totenbuch der Elisabeth-Kirche zu lesen steht, sie sei gestorben ihres "mühseligen Alters im 39-Jahre"? Äußere Not kann es nicht gewesen sein - ihr Mann hatte viel Geld hinterlassen. Es muß also ein schweres körperliches Leiden oder - noch wahrscheinlicher - ein herbes inneres, ein Seelenleiden gewesen sein. |
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Johannes' Wesensart ist aus den Zügen der Eltern unschwer ablesbar. Vom Vater hat er die Glut der Aufwallung, die kämpferische Wucht, den rücksichtslosen Einsatz, der immer aufs Ganze zielt; von der Mutter, die wir uns als stille, schwermütige Frau vorstellen dürfen, die Tiefe der Empfindung, das Sinnende, sein inbrünstiges Beten. Die beiden Seiten seines Wesens befehdeten sich ständig. Eine glückliche Natur, wie man so zu sagen pflegt, hat er gewiß nicht gehabt. Aus dem mütterlichen Erbe aber stieg empor seine tiefsinnige und herzinnige religiöse Poesie, Vermächtnis des schlesischen Stammes an das deutsche Volk, Tat des Angelus Silesius, des Boten aus Schlesien. Des Vaters Art wirkte geläutert fort in dem zeitgebundenen Johannes Scheffler, dem unerbittlichen Streiter für das als recht Erkannte, dem kühnen Schwimmer gegen den Strom, dessen Überwindung ihm genauso wichtig war wie das Festhalten der aus seiner Dichterseele aufsteigenden, die Phantasie aufwiegelnden Bilder durch die bannende Macht seiner Sprache. Als die Mutter starb, war er gerade einen Monat Schüler des Elisabeth-Gymnasiums; die Einschreibung erfolgte am 29. April 1639 zugleich mit seinem Bruder Christian, der gewiß schon damals der Familie Sorgenkind gewesen sein muß. Die drei Geschwister waren nun Vollwaisen; wer nahm sich ihrer an? Wir wissen es nicht. Vielleicht waren es Verwandte der mütterlichen Seite, der Hennemanns. Die erstaunliche Frühreife Johannes' geht auf den furchtbaren Ernst seiner Jugend zurück, den auch der materielle Wohlstand nicht aufheben konnte. Das Gebäude des Gymnasiums zu Sankt Elisabeth stand auf dem nördlichen Platz des Elisabeth-Kirchhofes. Zeitgenössischen Stichen zufolge war es ein zweistöckiger, stilvoller Renaissancebau. Entscheidend für die hier verbrachten vier Schuljahre ist die Freundschaft mit Andreas Scultetus (eigentlich Schultz), der vier Monate später an dieser Schule immatrikuliert wurde. Er war etwa ein bis zwei Jahre älter, stammte aus Bunzlau, war der Sohn eines Schuhmachers und hatte gleichfalls eine ernste Jugend verlebt, die im Gegensatz zu Scheffler zudem von schwerer materieller Not belastet war. Die beiden werden Pennalfreunde, sind geistige Zwillinge, ja Doppelgänger. Scultetus nimmt Schefflers religiöse Entwicklung und sein Schicksal wie ein Vorläufer voraus. Ist es verwunderlich, daß Johannes sich in seiner seelischen Einsamkeit eng an ihn anschloß? Mit der Zeit muß es zwischen den beiden Geistesverwandten zu einem vollen Gefühls- und Gedankenaustausch gekommen sein. Rektor war Elias Major, ein sehr frommer, bedächtiger, im Formalen pedantischer Mann, der sicher an den eigentlichen Problemen seiner Zeit vorbeilebte, ein anerkannter Gelehrter, der auch dichtete. Scheffler widmete ihm ein 16zeiliges griechisches Poem in Hexametern, das beachtliche Vertrautheit mit Homer, Liebe zur humanistischen Bildung erweist und das heute wohl kein gleichaltriger Gymnasiast verfassen könnte. Beliebter Lehrer war Chrysostomos Schultz, auch Verfasser trockener geistlicher Gedichte und zweier Prosadramen. Scheffler widmete ihm mit 15 Mitschülern, unter ihnen auch Scultetus, zum Abschied vom Schulamt ein gedrucktes Heftchen; sein eigener Beitrag war ein lateinischer Zweizeiler, Konrektor und anerkannter Breslauer Dichter jener Zeit war Christoph Köler, der, obwohl er in der damals üblichen, in Bildern schwelgenden Poetensprache ein "Schwan" genannt wurde, nicht die Selbstkritik verlor, sondern sich nur als "Gans unter Schwänen" bezeichnete. Er war in jedem Falle eine echte, geformte Persönlichkeit, nicht frei von Zügen eines Sonderlings. Er beeinflußte die beiden Freunde am nachhaltigsten. Scheffler dankte es ihm 1642 mit einem Huldigungsgedicht. Nur noch Scultetus war mit einem zweiten Gedicht vertreten - ein Zeichen, wie die beiden ihrem verehrten Lehrer gemeinsam eine Freude machen wollten. Wie mögen die Schulaufführungen die literarisch so begabten Freunde gefesselt haben! Ein von Scheffler verfaßtes und vorgetragenes deutsches Gedicht auf die Leiden Christi erwähnt Rektor Major in einem Schulprogramm. Anläßlich eines Maifestes hatte Christoph Köler einen Actus "Mayenlust" einstudiert. Von den Schülern, die beteiligt waren, beschrieb Scultetus die "Waldlust", gleich nach ihm Scheffler die "Nachtigall". Die beiden beschlossen die Aufführung wohl, weil sie die Besten waren. So boten sie reiche geistige Anregungen für die Freunde, die beide in die Literaturgeschichte eingehen sollten; denn der Entdecker und Lobpreiser des über dem berühmt gewordenen Angelus Silesius zunächst vergessenen Scultetus ist kein Geringerer als Gotthold Ephraim Lessing. Zwei andere Gelegenheitsgedichte beziehen sich auf Persönlichkeiten außerhalb des Schullebens. "Auf den Tod des Johannes Blaufuß" heißt das eine; in ihm steht schon eine für Scheffler bezeichnende Strophe: Also müssen auch viel leiden Das zweite ist "Zu Ehren des Andreas Lange von Langenau" gedichtet und umfaßt nicht weniger als 352 Verse. Freilich, der Reifere, Selbständigere, Originellere der Freunde ist in seinen Gelegenheitsgedichten unstreitig Andreas Scultetus; er war wohl auch der Führende. Das wichtigste Ereignis aber, den dem beide mitwirkten, war die denkwürdige Trauerfeier auf Martin Opitz' Tod im November 1639 im Elisabeth-Gymnasium. Ostern 1643 verließ Johannes Scheffler das Elisabeth-Gymnasium und Breslau, um sein Studium zu beginnen, wozu Scultetus die materiellen Mittel fehlten. Für den zurückgebliebenen Freund war es gewiß schmerzlich. Zunächst ging Scheffler nach Straßburg. Daß er das Studium der Medizin wählte, lag ihm von der mütterlichen Seite her im Blut; doch war er von vornherein für andere Wissensgebiete aufgeschlossen. Die Straßburger Universität tauschte er im Sommer 1644 mit der weltberühmten, von Schlesiern vielbesuchten in Leiden in den Niederlanden. Hier erwachte seine volle religiöse Teilnahme. Jakob Böhmes, seines Landsmannes, mystische Schriften begegneten ihm; Sekten und Schwarmgeister lernte er kennen. Zwei Jahre blieb er dort. Die dritte Universität war Padua. Hier lernte er katholisches Leben näher kennen. Am 9. Juli 1648, im Jahre des Westfälischen Friedens, wurde er, 23jährig, zum Dr. philosophiae et medicinae promoviert. 29 Jahre später, auf den Tage genau, am 9. Juli 1677, starb er in Breslau. Damals aber, mitten im vollen Glück, trafen ihn harte Schicksalsschläge. Sein Freund war nach einem Streit mit dem evangelischen Religionslehrer zum Katholizismus übergetreten, mußte auf kaiserlichen Befehl Breslau verlassen, trat in den Jesuitenorden ein und starb 1647 in Troppau. Auch die familiären Nachrichten waren niederdrückend. Zwar hatte sich seine Schwester mit einem geachteten Arzt verheiratet, wurde das väterliche Erbteil an die Geschwister ausgezahlt, der Bruder jedoch war für geisteskrank erklärt worden. Die unglückliche Erbanlage hatte den einen zum Genius, den anderen zum geistig Unheilbaren werden lassen. Nach der Promotion eilte Scheffler sofort nach Schlesien. Sein Schwager verschaffte ihm die Stelle des Leibarztes beim Fürsten Sylvius von Oels. Dorthin begab er sich nach kurzem Aufenthalt in Bernstadt bei Schwester und Schwager. Neben seiner ärztlichen Tätigkeit las er unaufhörlich in mystischen Schriften und gewann unter ihren Verfassern den zweiten Lebensfreund, den edlen Abraham von Franckenberg. Da stirbt dieser unerwartet 1652. Der Seele Schefflers entringen sich Verse, die nun den großen Dichter ankündigen. Inzwischen hatte er sich, ohne es vielleicht selbst bewußt zu spüren, den angestammten lutherischen Glauben langsam entfremdet. Der Hofprediger des Herzogs, Christoph Freytag, sah in den Anhängern des Franckenberg-Kreises überspannte Schwarmgeister, einen "Enthusiasmum", wie es damals hieß. Der Leibarzt hatte sich ohne Rücksicht auf Konfession und sektiererische Richtung aus verschiedenen Schriften ein Gebetbüchlein zusammengestellt, das er Freunden zum Neujahr schenken wollte. Der Hofprediger erwirkte ein herzogliches Verbot des Druckes. Der Leibarzt schied daraufhin im Dezember 1652 aus seinem Amt. Er begab sich nach Breslau. In einer dramatischen seelischen Krise vollendete sich seinen innere Umwandlung. Am 12. Juni 1653 trat Scheffler in der Stiftskirche der Kreuzherren vom Roten Stern zum katholischen Glauben über, geleitet vom Meister des Stiftes; er war 28 Jahre alt. Das Echo des Übertritts war ungeheuer. Johannes Angelus, wie er nun hieß, mußte eine Rechtfertigungsschrift herausgeben. Die katholische Seite jubelte. Der Kaiser selbst ernannte ihn zum kaiserlichen Hof-Medicus. Scheffler bestätigte sich als gläubiger, praktizierender Katholik. Die erste Wallfahrt nach Trebnitz zur heiligen Hedwig konnte endlich stattfinden. Eine umfassende karitative Tätigkeit begann. Liebevoll galt sie auch der Sankt-Adalbert-Kirche, die ihm von Kindheit an vertraut war. 1661 empfängt er in Neisse die Priesterweihe. 1662 kann im evangelischen Breslau die erste öffentliche Fronleichnamsprozession stattfinden - wir sind in der Gegenreformation und im Hochbarock angelangt! Seine lutherischen Gegner überschütteten ihn in zahlreichen Schriften mit Vorwürfen und einer Flut von Schimpfnamen, aber auch mit Verleumdungen. Schefflers Antwort in nicht weniger als 55 polemischen Schriften ließ an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig, und wenn das Temperament des Vaters in ihm durchdrang, verlor er jedes Maß. 1664 ernannte ihn der Breslauer Fürstbischof in Anerkennung seiner Verdienste um die katholische Sache zu seinem Hofmarschall. Nachdem er in dieser Eigenschaft zwei Jahre auf der Dominsel verbracht hatte, legte er sein Amt freiwillig nieder, wohl aus Gesundheitsgründen. Er begab sich in seine Lieblingsstätte, das Matthiasstift an der Schuhbrücke, in dem er konvertiert hatte. Er lebte der Askese und karitativen Aufgaben. In jener spannungsgeladenen Zeit, da die Wellen seiner Seele sich heftig bewegten und er zugleich in einem aufreibenden Kampf mit seiner Umwelt stand, stiegen eruptiv zwei Dichtungen aus ihm hervor, beide veröffentlicht unter dem Dichternamen Angelus Silesius: 1657 in Wien "Der cherubinische Wandersmann", in zweiter Auflage 1675 in Glatz (vermehrt), 1676 in dritter in Glogau, und in Breslau "Geistliche Seelenlust", eine Sammlung von Kirchenliedern, zweimal vermehrt, so daß es deren 205 in der Auflage von 1668 waren, vertont von dem Breslauer bischöflichen Musikus Georg Joseph. Diese zweite Dichtung hatte bei den Zeitgenossen die weitaus größere, ja eine ungeheure Wirkung. Die Seele sucht ihren Bräutigam Christus. Noch heute werden gesungen "Morgenstern der finstern Nacht", "Mir nach, spricht Christus unser Held", "Liebe, die Du mich zum Bilde Deiner Gottheit hast gemacht", "Ich will Dich lieben, meine Stärke". Auf die Nachwelt unendlich größer war die Wirkung der religiösen Sprüche der zuerst erschienenen Dichtung. Ihre Tiefe und Schönheit hier erläutern zu wollen, hieße wahrhaftig Eulen nach Athen tragen. Die Tat des Breslauers aber ist diese: Die jahrhundertealten Schätze der großen Mystiker schmiedet ein Dichter aus dem deutschen Kolonisationsland Schlesien in Bild und Gleichnis in künstlerisch gerundete Form. Mit einer geschliffenen Prägekraft begnadet ist der Mann, der zu solcher Aufgabe berufen ward, aber auch ungewöhnlich einfühlsam und empfängnisbereit. Indem seine Seele einer Äolsharfe gleich jedem Windhauch hingegeben war, mußte sie auch allem Erschütternden, das sie heimsuchte, auf stärkste ausgesetzt sein. In der Wüste seiner Leiden steht der Brunnen religiöser Poesie, der alle Dürstenden labt. Das haben bezeugt Leibniz, Friedrich Schlegel, Hegel, Schopenhauer, Rückert, Eichendorff, Rilke, Gerhart Hauptmann, Stehr, Morgenstern, Mickiewicz; erschütternd eindringlich Annette von Droste-Hülshoff und heutzutage Heidegger. Eine liebenswerte epische Huldigung bot Gottfried Keller im "Grünen Heinrich". Lyriker, Komponisten, bildende Künstler und Schriftkünstler bemühten sich um adäquate Form, Italiener, Franzosen, Engländer, Dänen, Polen, Tschechen, Spanier und Amerikaner erforschten ehrfürchtig das Werk. 1950 gibt Henry Plard eine französische Übersetzung der Dichtung heraus! Wie das milde Licht der Abendsonne leuchtet die Freundschaft mit dem Abt Rosa von Grüssau. Wiederholt war Scheffler Gast in dem schlesischen Kloster, die Herausgabe mancher Schrift verdankt er dem dritten und letzten Lebensfreund. Unvergeßlich bleibt ihm eine gemeinsame Wallfahrt nach Wartha. Angelus Silesius' letztes Werk "Sinnliche Beschreibung der vier Letzten Dinge", in Schweidnitz 1675, in Glatz 1689 erschienen, zeigt bei aller Schönheit und Größe im einzelnen ein deutliches Nachlassen der dichterischen Kraft. Fast wehmütig sagt er selbst: "Der Maler ist krank und kann weder die Farben recht mischen noch den Pinsel wol führen." An diesem 29. März 1677 war er schon todkrank. Der cherubinische Wandersmann bereitete sich auf den letzten Gang vor. Er besaß keinerlei materiellen Güter mehr; nun zog er sich auch ganz von der Welt und den Menschen zurück, nur noch der Kontemplation lebend. Am 9. Juli 1677 erlag er der Lungenschwindsucht; er war noch nicht 53 Jahre alt. Feierlich wurde er in der Stiftskirche beigesetzt. Der Jesuit Daniel Schwartz würdigte umfassend sein Leben und seine Persönlichkeit. Durch Ausbau der Gruft 1705 ging die Kenntnis der Grabstelle verloren. In der stillen Feierlichkeit der Kirche scheint der mystische Dichter versunken. In unserem Jahrhundert wurde eine Gedenktafel an der Westseite des Sankt- Matthias-Gymnasiums angebracht. Es ist gewiß in Schefflers Sinn, wenn die Verse, die er seinem Freund Franckenberg nachrief, hier auf ihn übertragen werden: Joannes Angelus, so bist du nun versunken Karl Schindler Literatur: Angelus Silesius, Sämtliche poetische Werke. Herausgegeben und eingeleitet von Hans Ludwig Held. 3 Bände. München 1952. - Georg Ellinger: Angelus Silesius, Ein Lebensbild. Breslau 1927. - Karl Vietor: Johannes Scheffler. In: Schlesische Lebensbilder, Bd. 3. Breslau 1928. |
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