Neuer Glogauer Anzeiger, Nummer 3, März 2018

 

Das Klarissenkloster der Jungfrauen zu Glogau

 

von Dr. M.Sprungala

 

500 Jahre bestand in der Stadt Glogau ein Klarissenkloster. Sein Wirken fand eher im Verborgenen, im Gebet und der geistlichen Andacht statt. Dennoch hat das Kloster seine Spuren in der Geschichte der Stadt und seiner ihm im Kreis Glogau und Fraustadt untertänigen Dörfern hinterlassen.
Der Orden der hl. Klara wurde von Klara von Assisi (1193-1253) und dem heiligen Franziskus von Assisi (1181/82-1226), der ursprünglich Giovanni Battista Bernardone hieß, gegründet, weshalb er auch den Namen „zweiter Orden des hl. Franziskus“ trug. 1215 verfasste der Hl. Franziskus die Ordensregel der „Damianitinnen“, wie sie ursprünglich nach der Kirche hießen, wo sie lebte. Erst nach Klaras Tod setzte sich der Name Klarissen durch.
Die religiöse Frauenbewegung war im 13. Jahrhundert sehr stark und lebhaft. Noch zu Lebzeiten Klaras entstanden bereits 111 Klöster: 68 in Italien, 21 in Spanien, 14 in Frankreich und 8 im Heiligen Römischen Reich (HRR). Gegen Ende des 14. Jahrhunderts gab es über 400 Klöster in Europa.
Vom HRR kam mit den nach Schlesien zurückkehrenden Exil-Piasten auch dessen Gedankengut durch Siedler, Kaufleute, Handwerker und Ritter.
Es war der bedeutendste und mächtigste Glogauer Piast Herzog Heinrich III. (1251/60-1309), der in seiner Residenzstadt ein Frauenkloster gründen wollte. Am 18.3.1304 erhält der Herzog von Papst Benedikt XI. (ursprünglich Niccolo di Boccasio 1240-1304, 1303 Pp.) die Erlaubnis zur Gründung von zwei Klarissenklöstern im Herzogtum Glogau. In den wenigen Regierungsjahren, die ihm noch verblieben, kam er jedoch nur dazu eines zu gründen.

Die Gründung des Klarissenklosters

Am 8.2.1307 stiftet Herzog Heinrich III. in Glogau ein Klarissenkloster und stattet es mit zahlreichen Gütern und Dörfern aus. Zum Klosterbesitz gehörten die auch später im Glogauer Kreis gelegenen Dörfern Oberau (Obora), Rabsen (Rapocin), Teile von Zarkau (?arków), Suckau (?uków), Neugut (?), Schlabitz (vielleicht Slawecice bei Militsch), Kraschen (Chró?cina), Giebse (?) und die drei Fraustädter Orte Kursdorf (Konradowo), Kandlau (Kandlewo) und Hinzendorf (Zamys?ów).
Gemäß den Schriften des Historikers, theologischen Schriftsteller und Mediziner, Joachim Cureus (1532-1573 Glogau, ursprünglich Joachim Scheer) wurde das Kloster auf der Stätte des alten Hochgerichts im Nordosten der Stadt errichtet. Das Nonnenkloster, das in der Literatur auch Jungfrauenkloster genannt wird, erhielt den Namen „Zum Heiligen Kreuz“. Erwähnt werden als Ausstattung neben den oben genannten Dörfern zwei Hufen Land in Zarkau, ein Hain bei Raschwitz (später Paulinenhof genannt) und die Mühle vor den Glogauer Stadtgräben an der Oder bei dem Dorf Oberau.
Durch die Grenzziehung von 1343 kamen drei Dörfer des Klosters unter polnischen Herrschaft und lagen seither im „Fraustädter Land“. Hinzendorf wird damals erstmals als „Heynemannisdorf“ erwähnt, Kursdorf als „Conradisdorf“. Später erscheint bei Hinzendorf auch der Namen „Heinzendorf“. Die Dorfnamen gehen vermutlich auf die Lokatoren, die Ansiedlungsmanager, zurück. Die Namen „Hinz“ und „Kunz“ sind bis heute sprichwörtlich bekannt. Sie waren im Mittelalter sehr beliebt, da sie häufige Königs- und Kaisernamen waren. Auch dies deutet auf Siedler aus dem HRR hin. Das Dorf Kursdorf soll früher ursprünglich dem Breslauer Bischof als sog. Tafelgut gehört haben.
Das Kloster mit seiner Kirche lag in der Nähe des „Polnischen Tors“, östlich der späteren Hindenburgbrücke zur Oder-Insel. Kurz nach der Stiftung (23.6.1307) bestätigt Heinrich III dem Glogauer Klarissenkloster folgendes Privileg: „Niemand soll ohne Zustimmung der Nonnen eine Brücke bauen von Zarkau an bis zu der Brücke, auf der man von der Stadt zum alten herzoglichen Schloß geht.“ (Blaschke, S. 43) Am 6.7.1307 unterstellt der Breslauer Bischof Heinrich I. v. Würben († 1319, pl. Henryk z Wierzbna) das neue Klarissenkloster und seine Kirche seinem Schutz.
Am 5.2.1310 bewilligt die Glogauer Herzogin Mechthild v. Braunschweig († 1318) mit ihren beiden ältesten Söhnen die Übergabe der Dörfer Schlabitz und Tarpen an das Klarissenkloster und befreit sie von allen Abgaben und Dienstleistungen.
Über Tätigkeiten des Klosters findet man im Mittelalter kaum noch Dokumente. 1376 berichtet eine Urkunde über den Bau der hölzernen Kirche St. Jakobus in Kursdorf. Auch in Hinzendorf entsteht eine eigene Pfarrei, die in späterer Zeit unbesetzt und daher von Kursdorf versorgt wird.
Eine Urkunde aus dem Jahr 1430 wird erwähnt, dass das Dorf Kursdorf an einen Geistlichen aus Fraustadt namens „Piotr Rui“ verpachtet worden ist.

Klarissenkloster Glogau

>Blick auf Glogau. Das Klarissenkloster befand sich wohl oben rechts<

 

Frühneuzeitliche Visitation

Die nächsten Dokumente, die über das Jungfrauenkloster berichten stammen aus den Visitationen in den Dörfern, die von dem Archipresbiter in Guhrau (Góra), bzw. dem Archidiakon in Glogau, vorgenommen werden.
Im Archipresbiterat Guhrau (Góra, Schlesien) findet im Jahr 1580 die erste Kirchenvisitation seit der Einführung der Reformation statt. Von den sieben Pfarreien blieben nur die zum Glogauer Klarissenstift gehörenden Gemeinden Kursdorf (Konradowo) und Hinzendorf (Zamyslow) und das bereits schlesische Dorf Guhlau (Gola) katholisch.
Für den 21.10.1597 berichtet ein Dokument über die Einkleidung einer polnischen Jungfrau im Klarissenstift. An diesem Abend kam es unter den anwesenden Polen zu einer argen Schlägerei, bei der mehrere Personen schwer verwundet wurden. (Blaschke, S. 186)
Als nächstes berichtet Blaschke über den großen Stadtbrand in Glogau am 27.7.1615, bei dem auch das Klarissenkloster vernichtet wird. In der Kirche der Jungfrauen ersticken fünf Personen. Viele alte Pergamenturkunden verbrennen.

Als Glaubensflüchtlinge im benachbarten Polen

Der Dreißigjährige Krieg (1618-48) erreichte rasch auch Schlesien und betraf Glogau vielfach. Am 13.5.1634 besiegen sächsische Truppen das Kaiserliche Heer bei Liegnitz (Legnica) und lösen damit eine Fluchtwelle der Katholiken aus. Am 6. Juni besetzen sie Glogau. Die Jesuiten, die als Hauptfeinde und Akteure der Gegenreformation verschrien sind, fliehen ins benachbarte Königreich Polen. Als letzter verlässt der Rektor des Jesuitenkollegiums, Pater Jeremias Fischer (1596-1634), die Stadt, was zur Folge hat, dass ihn bei Guhlau (Gola) nahe der polnischen Grenze zwei sächsische Reiter einholen und erschießen. Seine Leiche wird geborgen und nach Kursdorf gebracht. Die fünf anderen Jesuiten erreichten über Reisen (Rydzina, Kr. Lissa) Schwetzkau (?wi?ciechowa, Kr. Lissa), wo sie bis zum Kriegsende bleiben. Auch die Glogauer Klarissen waren nach Polen, in ihre Filiale in Kursdorf (Konradowo), geflohen. Die Äbtissin Elisabeth Schneider ließ den Ermordeten hierher bringen und bestatten.
Nach dem Sieg der Kaiserlichen bei Nördlingen (5.11.1634) kehrten die Klarissen nach Glogau zurück.
Acht Jahre später stehen die evangelischen Schweden unter Lennart Torstenson (1603-1651) vor der Stadt und erobern Glogau. Bei der Plünderung der Stadt am 4.5.1642 wird auch das Klarissenkloster angezündet. Die Bewohner werden ausgeraubt, misshandelt, gefangen und z. T. in Lager verschleppt. Auch die Klarissen-Jungfrauen werden nicht verschont. Die in der Kirche betenden Nonnen werden von den Schweden gejagt. Sie fliehen durch das nahe Polnische Tor auf ihr Gut nach Zarkau. [Blaschke, S. 282] Das Kloster wird von den schwedischen Besatzern als Lager und für Einquartierungen genutzt.
Die Nonnen fliehen weiter nach Polen, nach Hinzendorf, wo sie kriegsbedingt sechs Jahre bleiben mussten. Hier hinterlassen sie bleibende Spuren durch ein neu angelegtes Schöffenbuch. Auch die Jesuiten und Dominikaner flohen aus Glogau. Nur die Franziskaner Minoriten harrten tapfer aus und betreuten in der schweren Zeit die Glogauer Katholiken.
Das Schöffenbuch von Hinzendorf vermerkt am 25.2.1646 den Tod der Äbtissin des Stiftes morgens um 1 Uhr, ohne ihren Namen zu nennen. Da zwischenzeitlich keine andere Äbtissin genannt wurde, scheint es sich um die 1634 genannte Elisabeth Schneider gehandelt zu haben. Nach einer kurzen Trauerfrist wurde die bisherige Klostervikarin Dorothea Niemerczicka am 25.6.1646 in Gegenwart des Glogauer Prälaten Martin Hoffmann und des Probstes von Glogau und Pfarrers von Kursdorf, Martin Hübner, zur neuen Äbtissin gewählt.
Nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges kehren die Klarissennonnen 1648 nach Glogau zurück. An die Zugehörigkeit Hinzendorfs zum Klarissenkloster erinnern Flurnamen wie die „Nonnenbrücke“ oder der „Nonnenwald“.

Nachrichten aus der Zeit bis zur Auflösung

Die nächste Information über die Klarissen stammt aus dem Jahr 1679. Damals wurde in Glogau die Wolfsgrabenbastion am Jungfrauenkloster als Teil der Wehranlage errichtet.
1683 stellt die Äbtissin Regina am 24. August in Glogau einen Geburtsbrief für den Kursdorfer Bauernsohn Caspar Habisch aus, daher wird ihr Vorname – wie es zumeist üblich war – genannt.
Bei dem Stadtbrand in Glogau am 17.8.1711 wird u. a. die Jesuitenkirche vernichtet. Die Klarissen bieten ihnen die Nutzung ihrer Kirche an.
Das älteste erhaltene Messgewand der Hinzendorfer Kirche stammt aus dem Jahr 1738. Die Glogauer Klarissen sollen es selber gestickt haben. Es wurde nur an hohen Festtagen benutzt und befand sich in der Sakristei, die nach ihren Eigentümerinnen im Volksmund den Namen „Jungfernchor“ trug.
1742 stiftet der Hinzendorfer Pfarrer Johannes Hoffmann in seinem Testament ein Hospital für drei arme Frauen. Die Altaristen-Stiftung betreut sein Bruder Philipp Valentin Hoffmann († 1754). Die Aufsicht obliegt dem Klarissenkloster. Diese Stiftung bestand formal bis 1945.
Am 20.12.1751 bestätigt die Äbtissin Maria Theresia die das Kloster betreffenden Paragraphen der Stiftung zusammen mit der Professin und Vikarin Maria Bernardina Bluchnerin und der Discretin Maria Josepha Durbachin. Das „Hochfürstliche Bischöfliche General Vicariat Amte“ bestätigt die Stiftung am 15.2.1754.
Noch eine weitere Äbtissin der Jungfrauen wird mit ihrem Vornamen Maria Aloysia in Geburtsbriefen u. a. Dokumenten in den Jahren 1782, 1788 und 1794 genannt.

Die Auflösung des Klosters

Das beginnende 19. Jahrhundert brachte große Veränderungen, die mit den Napoleonischen Kriegen einhergingen. Preußen, das seit 1793 auch das Posener Land nach der 2. Teilung Polens beherrschte, verlor es infolge des Friedens von Riga (1807) nach der Niederlage bei Jena und Auerstedt, wieder.
Preußen war in der absoluten Krise und wäre fast untergegangen. Im Königreich Preußen werden nach französischem Vorbild alle geistlichen Güter eingezogen. Das Edikt vom 30.10.1810 galt nach 1815 auch für die Provinz Posen, die nach dem Wiener Kongress wieder zu Preußen kam. Das Säkularisierungsedikt wurde u. a. deshalb erlassen, um die hohen französischen Kriegskontributionen leisten zu können. In Glogau betraf es das Domstift, das Dominikaner-, Franziskaner- und Jungfrauenkloster (das Klarissenstift). Durchgeführt wird die Säkularisierung durch den Stadtsyndikus Lauterbach. Die Gebäude des Klarissenklosters werden an den Militärfiskus verkauft und zu Zeughäusern umgebaut. Die Güter werden ebenfalls verkauft.
Die französische Besatzungszeit bedeutete den Niedergang Glogaus. Die Not wurde so groß, dass der Glockenturm des ehemaligen Jungfrauenklosters wegen Mangels an Brennholz abgetragen werden um.
Im Jahr 1818 wurde dann das Klostergebäude in eine Kaserne, die spätere Michaelis-Kaserne, umgewandelt. Damit endete die etwas über 500-jährige Geschichte der Glogauer Klarissen.

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