Neuer Glogauer Anzeiger, Nummer 2, Februar 2015

Erlebnisberichte aus Leipe, Gemeinde Wiesau,
Kreis Glogau, der Jahre 1945 /1946

von Margeritha Seher geb. Großmann und Heinz Zacher

 

Bericht v. Fr. Seher, geb. Großmann, Leipe 18:


In der Nacht vom 9.2 zum 10.2.1945 flüchtete die Familie Bruno Klose, Leipe 12, sie gelangten bis Thüringen. Die Eltern von Ida Klose, August Merkel mit seiner Frau, Leipe 12, blieben jedoch in Leipe.
Die Familien Großmann Gustav, Leipe 18, und Kaiser, Leipe 7, fuhren am Morgen des 10.2.1945 mit ihren Gespannen in Richtung Klopschen. Mit dabei war die evakuierte Schwester von Gustav Großmann aus Recklinghausen mit 2 Söhnen und die Schwiegertochter von Kaiser mit ihrem Bruder aus Breslau. Vorgesehen war eigentlich nur bis außerhalb des Ortes zu fahren, wegen der brennenden Riffelscheune der Flachsfabrik. Ein deutscher Panzerleutnant hatte in Ransdorf deutsche Panzer, die in der Riffelscheune standen, in die Luft gesprengt und damit die große Scheune in Brand gesetzt. Am Ortsausgang bei Fenglers, Leipe 22, trafen wir auf die Familien Backus , Schmidt, Schlafke, Kleinert und Großmann alle aus Ransdorf und Frieda Großmann mit Sohn aus Wiesau 96, dieser Gruppe haben wir uns angeschlossen. Deutsche Soldaten trieben uns wegen der bevorstehenden Gefechte um den Mühlberg von Klopschen weiter. So reihten wir uns hinter Klopschen in den Treck anderer Flüchtlinge ein. In Seiffersdorf wurde mein Vater von Kaisers Pferd, mit dem Huf an der Augenbraue verletzt. Ein anwesender deutscher Militärarzt klammerte die Wunde. Er sorgte dafür, dass mein Vater auf einem Bauernhof bis zum Nachmittag ausruhen musste. Die Ransdorfer aber zogen weiter und wurden nach etlichen Hindernissen in Simselwitz Kreis Döbeln aufgenommen.
Als wir uns dann später wieder in den Treck einreihten, stießen wir auf Einwohner von Andersdorf. Wir kamen bis Schöneich. Hier hörten wir, die Boberbrücke sei bereits gesprengt. Im Dorf Schöneich war nur noch der Bürgermeister anwesend, er hatte schon weiße Laken gehisst. In den nächsten Tagen fuhr ein russischer Panzer auf den Dorfanger. Die Soldaten kamen nur in die Häuser, schauten sich um und fuhren wieder weg. Von der Front überrollt, machten wir uns und die Andersdorfer auf den Rückweg, in Freystadt übernachteten wir. Ungehindert kamen wir dann bis Neustädtel. Hier plünderten die Russen unsere Wagen aus, nahmen die Pferde weg und behielten meinen Vater dort. Mit einem Pferd am Wagen, das geführt werden musste, erreichten wir zu Fuß in der Nacht vom 19.2. zum 20.2.45 Andersdorf. Am 20.2.45 waren die Familien Großmann u. Kaiser wieder in Leipe. Mein Vater kam am 1.6.1945 zurück nach Leipe. Die Russen hatten ihn nach Oberschlesien gebracht, wo er Maschinen demontieren musste.
Wir, die Familie Großmann Gustav und Eberhard Kern gingen im Juni 1946 von Leipe für 1½ Jahre nach Klemnitz, um dort für die russische Kommandantur zu arbeiten. Wir wurden dann am 5.9.1947 ausgewiesen. Die Ausweisungen erfolgten in Viehwaggons mit Güterzügen.

Bericht v. Heinz Zacher, Leipe Nr. 33:


Ein anderer Teil der vorbereiteten Fuhrwerke von Leipe fuhr am 10.2.45 in die Sandgrube, die außerhalb in Richtung Karbe, Leipe 39, und Schott, Leipe 40, lag, um Schutz zu suchen. Das war gut so, so hatten wir Feuerschutz vor einigen Geschossen, die hin und her über uns hinweg gingen. Am späten Nachmittag fuhren die Gespanne wieder in die einzelnen Gehöfte. Aus Angst, was nun auf die einzelnen zukam, bildeten sich hier und dort in den Häusern kleine Gruppen, um einander beizustehen.
Wir, das waren Emma, Heinz und Günter Zacher, sowie die Schwester meiner Mutter Frieda Zühlke, waren bei Paula, Else u. Elfriede Eisermann, Leipe 32. Frau Eisermann wollte sich mit den beiden Mädchen das Leben nehmen als die Russen kamen. Meine Mutter hat das durch gutes Zureden verhindert. Paula dein Mann kommt bestimmt aus dem Krieg zurück. Dann kamen die Russen in die Häuser. Sie suchten nach Soldaten und schauten nach Mädchen, die hatten sich aber zum größten Teil versteckt. Am anderen Tag, nach dem sich alles wieder beruhigt hatte, gingen die einzelnen wieder in ihre Häuser so auch wir, um unser Vieh zu füttern.

Es haben sich schlimme Gewalttaten in diesen Tagen ereignet:
Bericht von Margeritha Seher Geb. Großmann u. Heinz Zacher

Im Haus von Striese, Leipe 37, fanden die Russen 2 schwer verwundete deutsche Soldaten, dann brachten sie noch einen weiteren verwundeten Soldaten dazu und zündeten das Haus an, alle 3 wurden mit samt dem Haus verbrannt.
Klose Ernst, Leipe 4, Landwirt 1945 erschossen wegen eines Pferdehalfters.
Großmann Otto, Leipe 13, Landwirt 1945 wurde in Wiesau erhängt
Großmann Berta, Leipe 13, 1945 wurde in Wiesau erhängt
Röhrich Herbert, (Leipe 9), Schneider, Febr. 1945, er war als Soldat bei seinen Schwiegereltern, Märkel Richard in Leipe 9, zu Besuch und hat dort, kurz bevor die Russen kamen, seine Frau, die Kinder und sich selbst erschossen.
Röhrich Else, geb. Märkel
Röhrich Horst, geb. 1933
Röhrich Christa
Röhrich Dieter

Im Haus Leipe 23, wohnte die Familie Altmann in der Wohnung im 1.Stock links. Altmanns waren aber in der Nacht vom 10.2. zum 11.2. nicht in ihrer Wohnung, sondern bei einer anderen Familie im Dorf. Im selben Haus in der Wohnung Bröggelhoff, im 1.Stock rechts befanden sich am 10.2.45 13 Personen.
Da die Tür von der Wohnung verschlossen war und ein Hund kräftig bellte, verschafften sich die Russen mit Gewalt Zutritt und erschossen 11 Personen:
Herr und Frau Bröggelhoff mit 2 Kindern 4 Personen
Anna Richter aus Leipe 21, mit der Tochter Gertrud 2 Personen
Frau Fengler aus Leipe 22, mit ihrem Sohn Gotthard 2 Personen
Herrn und Frau Grieger aus Ransdorf 35, mit einem Kind. 3 Personen
Marta Richter, Leipe 21, überlebte am Knie schwer verletzt. Eberhard Kern, ein zu Besuch weilender Bruder von Frau Fengler, blieb unverletzt, er hatte sich gleich hin geworfen. Diese Angaben stammen von Eberhard Kern, der nach diesem Geschehen bei uns, Familie Großmann Gustav in Leipe 18 wohnte.
Die Einwohner von Leipe wurden am 17. Nov. 1946 ausgewiesen. Die Polen brachten uns mit Pferde- und Ochsenwagen nach Lüben, in eine Kaserne, es kamen auch noch Personen aus anderen Orten dazu. Nach 2 Tagen ging es mit Güterzügen in Viehwaggons, immer 50 Personen auf ihrem Gepäck sitzend, über Glogau, Sagan, Guben, Cottbus, Falkenberg, nach Coswig in Anhalt, in ein Sammellager.

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