Neuer Glogauer Anzeiger, Nummer 8, August 2006

Erlebnisse unserer Fahrt nach Glogau

vom 29.6. - 2.7.2006

Vor einem Jahr entstand bei einem unserer Treffen der Bezirksgruppe Halle der Gedanke an eine Fahrt nach Glogau. Viele waren begeistert, aber im Laufe der Zeit wurde der Kreis der Interessierten immer kleiner. Unser Bezirksgruppenleiter Hans-Karl Hänel hat rechtzeitig mit den Vorbereitungen begonnen (Mietung eines Kleinbusses und Übernachtungen) und bei unserem Bundesheimattreffen konnte er noch nichts Konkretes sagen. Bei einer Vorbesprechung am Vortage unserer Abfahrt stellte er uns den in Köthen gemieteten Kleinbus für 9 Personen vor und teilte uns mit, dass wir in Schlichtingsheim bei der Freifrau von Schlichting übernachten können.

Am 29.6. pünktlich 9.30 Uhr traf sich unsere kleine Gruppe zur Abfahrt. Es waren dies die Ehepaare Dickert, Hänel und Burkert sowie die Einzelreisenden Rebsch, Sonnabend und Babrick, welcher in Taucha bei Leipzig zustieg. Die Fahrt auf der A 14 und A 4 verlief zügig und nach einer kurzen Rast erreichten wir bald den Grenzübergang Ludwigsdorf bei Görlitz. Hier gab es einen etwas längeren Aufenthalt. Auf der anderen Seite wechselten die Fahrer und es ging weiter Richtung Bunzlau. An der Straße waren mehrere Kleinbaustellen zur Verbreiterung, sodass wir immer wieder eine Pause einlegen mussten. Flotte Burschen nutzten die Gelegenheit, für ein geringes Entgelt die Scheiben des Fahrzeuges zu putzen. Bunzlau war erreicht und immer wieder imposant ist der große Eisenbahnviadukt über den Bober. Aber Bunzlau ohne Tonwaren ist nicht denkbar, also ging es ist zum Werksverkauf in ein Keramikwerk an der Straße. Dann ging es weiter Richtung Sprottau und kurz davor erreichten wir die Staatsstraße 12, die uns über Primkenau, Wiesau, Nilbau, Glogau bis zu unserem Ziel führen sollte. Weit vor Brostau ging die Fahrt über eine große breite Straße südlich des großen Neubaugebietes und wir erreichten die Rauschwitzer Str. in der Nähe vom kath. Friedhof. Bei der Weiterfahrt Richtung Stadt sah ich dann links fast versteckt "Neu Jerusalem" und weiter gings über den großen Kreisel zur Oderbrücke. Der Dom-Steinweg und die Ostlandbrücke waren schnell erreicht und die Fahrt führte uns über Lerchenberg, Wilkau nach Schlichtingsheim. Hier wurde uns eine falsche Auskunft gegeben, wir machten eine kleine Runde und erst mit Hilfe der Anzeige im NGA mit Adresse konnte uns geholfen werden. Also erreichten wir nach fast 6 Stunden das Feenschloss Rothenhorn. Hier wurden wir von der Hausherrin Freifrau Sigrun von Schlichting herzlich begrüßt. Die Zimmerverteilung erfolgte schnell und wir bekamen die Zimmer 3 - 6 in den oberen Etagen, weil 2 Zimmer mit Gästen aus Dresden und Hamburg belegt waren.

Nach einer kurzen Erholungspause wurden wir zum Abendessen gebeten und wir wurden von einem viergänge Menü überrascht. Anschließend machten wir uns mit den weiteren Gästen bekannt. Das Dresdener Ehepaar stammte aus Fraustadt und wohnte lange Zeit auch in Halle. Bei den Besucherinnen aus Hamburg handelte es sich um Tochter und Enkelin der Inhaber des Geschäftes Linke und Seidel am Markt in Glogau. Auf einen Artikel im NGA und dem Drängen der Enkelin kam die Reise zustande, die am nächsten Tage weiter ins Riesengebirge führen sollte. Frau von Schlichting setzte sich dann zu uns und gab uns einen kurzen Überblick über den Kauf des Schlosses ihrer Ahnen (1995) und dem Beginn des mühevollen Wiederaufbaus 1 Jahr später. Sie berichtete von den Feierlichkeiten der 350-Jahrfeier in Schlichtingsheim (heute Szlichtyngowa), wo sie als Namensträgerin des Stadtgründers besonders geehrt wurde.

Anschließend fanden wir uns zu einer gemütlichen Runde neben dem Springbrunnen im kleinen Park hinter dem Schloss wieder. Mit einem kühlen Trunk und einigen Liedern (begleitet von unserem Musikus Herbert Dickert) ließen wir den ersten Tag ausklingen.

Der nächste Tag begann auch wieder leicht bewölkt und nicht allzu warm. Nach einem reichhaltigen Frühstück um 9 Uhr starteten wir nach Glogau. Ein Blick zur Eisenbahnbrücke entschädigte uns für die pinkfarbige Oderbrücke mit einem neuen "Nepomuk“ auf der rechten Seite. Ungewohnt ist auch das 2. Gleis der Breslauer Bahnstrecke außerhalb der Unterführung am Schloss vorbei. Als nächste Überraschung entdeckten wir einen Flachbau der Firma „LIDL“ mit Parkplatz auf dem Gelände vom Kaufhof, ein Blick in die schöne Fußgängerzone (Preußische Str.) und wir erreichten die Alte Wallstraße. Wir beendeten unsere Fahrt tatsächlich in der "Enderstr." westlich am Amtsgericht. Besonders beeindruckend war die schöne Anlage mit den Grundmauern des "Schifflein Christi". Die Kirche als Modell mit Erklärung der geschichtlichen Entwicklung in 3 Sprachen sahen wir in einer kleinen Glassäule. Auf der Schulstr. fanden wir gleich eine Bank zum Geldtausch bei einem günstigen Kurs 1 : 3,94 Zł, aber wie das Schicksal so spielt, war der Computer abgestürzt. Nachdem die Panne beseitigt war, erhielten wir das Geld. Viel brauchten wir nicht, denn der Euro gilt schon fast als zweite Landeswährung. Auch EC-Karten werden an manchen Tankstellen akzeptiert.

Wir teilten uns in kleinere Interessengruppen und wollten uns um 12.45 Uhr wieder in der Enderstr. treffen. Wir (die Fam. Hänel und Burkert) hatten schon Mühe zu Fuß auf der Schulstr., mit einem Blick in die schöne Mohrenstr. bis zur Arnoldstr. zu kommen.

Dort herrschte ein reger Fahrzeugbetrieb in beiden Richtungen und die Fahrt mit unserem Kleinbus wäre ein Wagnis gewesen.

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Anlage mit Grundmauern des "Schifflein Christi". Vorn: Frau Hänel und Frau Burkert
Wir wollten doch aber das Rathaus von Nahem sehen. Also ging es dann zurück und wir wollten den Markt erreichen. Wir fuhren auf der Arnoldstr. zum Soetbeerring (mit einem herrlichen Blick zum vor Jahren umgewidmeten Ebertdenkmal „Für die deutschen und polnischen Opfer von Krieg, Gewalt und Vertreibung". Am ehem. Eulenhaus bogen wir in die Wingenstr. ein, sahen links den stationären Wochenmarkt in Richtung Komissbrotbäckerei und dann endete unsere Fahrt auf dem Wilhelmplatz, denn die Breslauer Str. ist neuerdings, vom Markt her, wieder Einbahnstr. Der Gedanke über die Blaschkestr. (jetzt wieder Polnische Str.) zum Markt zu gelangen, war eine Illusion, denn auf der Martinsstr. waren umfangreiche Tiefbauarbeiten mit Sperrung der Straße zu sehen. Ein neuer Plan, über die Uferstr. rechts vor der Oderbrücke Richtung Markt zu kommen war unser größter Fehler. Die befestigte Uferstr. endete plötzlich in einen Sandweg mit vielen Schlaglöchern, zahlreichen Kurven und auf beiden Seiten viel Büsche. Das Rathaus mit Turm sahen wir immer wieder über das Niemandsland hinweg. Endlich war die schaukelnde Fahrt vorbei und wir waren auf der Friedrichstr. gelandet. Auf der Lange Str. sahen wir nur Bauschutt und der Weg zur Blaschkestr. war ein großer Lagerplatz für Baumaterial. Also hieß es, zurück über Friedrichstr. und Leopoldring zu unserem Treffpunkt in der Enderstr. Schnell noch einen Blick auf den unteren Schulhof der Comenius Schule für die Klassen 8 - 5. Bei meinem 2. Besuch in Glogau 1973 war der obere Schulhof eine gepflegte Anlage mit Bänken und die Turnhalle im Originalzustand war zum Kino umfunktioniert. Nunmehr hat die Turnhalle einen komischen Umbau erhalten und dient vermutlich als Kühl- oder Lagerhaus. Der Platz davor sieht etwas verwildert aus. Alle Teilnehmer trafen pünktlich ein, denn um 13 Uhr erwartete uns Herr Jasik (Germanistikstudent) am Glogauer Dom. Er nannte uns einige Daten von der Entstehung des Doms, seiner Vernichtung 1945, Beginn des Wiederaufbaus. Beeindruckend fanden wir die fertigen bunten Fenster und nur wenige Bankreihen sahen wir vor dem Altar. Es ist eben noch eine Baustelle und es werden noch viele Jahre vergehen, bis der Innenausbau fertig sein wird. Leider konnten wir die Krypta nicht besichtigen, weil die Schlüssel nicht erreichbar waren.

Ebenso konnte auch die Orgel von Hans-Karl Hänel nicht genutzt werden. Unser Betreuer "Jasik" bemühte sich per Handy, diesen Wunsch in einer Kirche in Brostau zu erfüllen, konnte aber nichts erreichen, ebenso schlug ein Versuch in Wolfau (Wilkau) fehl. Wir fuhren dann in den Geburtsort unserer Hfrdin Christa Dickert nach Seehagen (Klautsch) und es gab dort ein Wiedersehen mit den jetzigen Bewohnern.

Unser nächstes Ziel war die Klosterkirche in Fraustadt. Hier wurden die Teilnehmer von einem jungen Bruder aus Deutschland geführt, der hier als Mönch leben möchte. Aber auch hier war die Nutzung der Orgel nicht möglich. Nach einem kurzen Besuch eines Biergartens vor dem schönen Rathaus, verließen wir das ansonsten grau wirkende Fraustadt in Richtung Schloss Rothenhorn. Der erste ereignisreiche Tag war noch nicht vorbei und schon wurden Pläne für den nächsten Tag vorgeschlagen.

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Die Klosterkirche in Fraustadt
Nach dem Frühstück war eine Schlossführung vorgesehen. Waren wir vom Speisesaal und unseren Zimmern schon begeistert so staunten wir besonders über die 2 hellen Gesellschaftsräume mit reicher Stuckverzierung für Veranstaltungen zu je 50 Personen, der weitere Weg führte uns in die Baustelle, wo gerade eine neue Zwischendecke montiert wurde. Es gibt noch sehr viel zu tun, um erst einmal den hundertjährigen, jüngsten Teil des Schlosses vollständig aufzubauen.

Bei herrlichem Sommerwetter starteten wir in Richtung Glogau, um einige Wünsche zu erfüllen. Die Hfrde Babrick und Rebsch wollten Glogau zu Fuß vollständig erkunden, also ließen wir sie bei “LIDL“ raus, um sie dort wieder um 17 Uhr abzuholen. Unsere Fahrt ging über die Hohenzollernstr., Hoffmeister Str., mit einem Blick in den Goetheweg, zur Herrndorfer Str. (rechts sahen wir das Redemptoristen Kloster) mit der Hindenburg-Kaserne. Hfrd Hänel suchte vergebens nach dem Block 4, wo er als Kind wohnte und von dort zum Kindergarten an der Pestalozzi Schule seine weitesten Wege ging. Wir fuhren die Saarlandstr. entlang bis hinter die Wasserbausiedlung an der Brostauer Str. Wir drehten um und es ging zum Bahnhof. Hier durften wir nur kurz halten, aber wir wagten doch mal, in die Halle zu gehen. Die Eingangstüren stammen vermutlich noch aus dem Jahre 1935 (dem Einweihungsjahr), die 5 Fahrkartenschalter gibt es noch (aber nur einer geöffnet) die Gepäckabfertigung ist zugemauert, davor ein kleiner Obststand und das tollste, was es neuerdings gibt: der Wartesaal 2. Klasse wird als Sex-Shop genutzt.

geführt, der hier als

Vorbei an der großen Post, dem Busbahnhof ging es über die Wörthstr., Königstr. zur Hohenzollernstr., hier sahen wir eine schöne, neue Anlage mit Springbrunnen und einem Gedenkstein (auf der Fläche des Pionierdenkmals), an der großen Tankstelle vorbei erreichten wir die neue Hauptstr. Richtung Dom, denn unser heutiges Ziel sollte Schlesiersee (Schlawa) sein. Also ging es hinter der Ostlandbrücke an Niederfeld (Kl.Gräditz) vorbei über Klettental (Tschopitz), Langemark (Tschepplau), Deutscheck (Altstrunz) erstmal nach Rädchen, wo ein großes Reha-Zentrum entstehen soll.Also zurück nach Schlesiersee, nach einer kleinen Rundfahrt, fanden wir in Richtung Laubegast einen Parkplatz unmittelbar am "Seehof" neben einem Campingplatz. Hier war der erste Weg zu einem kleinen Biergarten, weil die Gaststätte im Seehof später öffnete. Aber unsere Wünsche nach Speisen, Getränken und Eis konnten auch hier bestens erfüllt werden. Vor allem saßen wir im Schatten, denn die Sonne meinte es zu gut, aber dafür sorgte eine leichte Brise vom See für Abkühlung. Es war richtiges Badewetter und am Strandbad herrschte großer Betrieb. Auf dem Wasser waren eine große Zahl verschiedener Boote und ein kleiner Dampfer. Altmanns Strandlokal (wo es bekanntlich Mädchen ohne Zahl gab) haben wir nicht entdeckt.

Die schönen erholsamen Stunden gingen leider bald zu Ende und es ging den gleichen Weg zurück, um unsere beiden müden Wanderer bei „LIDL“ wieder an Bord zu nehmen. Es war für alle der schönste Tag und nach dem Abendessen fanden wir uns wieder am Springbrunnen zu einem kühlen Trunk und frohen Liedern ein.

Nach dem reichhaltigen Frühstück, haben wir unsere Rechnungen beglichen, das Gepäck im Kleinbus verstaut und es nahte die Stunde des Abschieds vom Feenschloss Rothenhorn. Wir verabschiedeten uns von Freifrau von Schlichting mit bestem Dank für die schönen Tage, wünschten ihr alles Gute, Gesundheit und weiterhin viel Erfolg beim Aufbau des Schlosses. Auf der Rückfahrt nahmen wir auch Abschied von unserer Heimatstadt Glogau mit dem Blick auf den Dom, die Oder, das Schloss, die Altstadt und nicht zuletzt das Milchhäuschen am großen Kreisel. Über die Rauschwitzer Str. fuhren wir nach Süden an Rauschenbach (Rauschwitz), Friedenshagen (Jätschau), vorbei über Hermsdorf zur Heeresstr. (F 5) nach rechts bis zur Straße 12 nach Wiesau auf dem Weg, welcher uns von der Herfahrt bekannt war. Da ja Sonntag war, hatten wir keine Baustellen hinter Bunzlau. Bei der Fahrt durch die schönen schlesischen Wälder, kam der Gedanke an Blaubeeren, aber zum Pflücken war keine Zeit und so haben wir dann am Straßenrand welche in kleinen Körbchen kaufen können.

Der Grenzübergang Ludwigsdorf war schnell erreicht und nach relativ kurzer Wartezeit konnte die Weiterfahrt fortgesetzt werden. Auf einem Rastplatz machten wir Halt zu einem kleinen Imbiss. Hier, kurz vor Dresden stellte ich mit Schrecken fest, dass ich noch den Zimmerschlüssel in der Tasche hatte. (Es kommt alles nur einmal vor!) In Taucha verließ uns Hfrd. Babrick und wir anderen landeten nach einer zügigen Fahrt auf der Silberhöhe in Halle gegen 17 Uhr. Hier trennten sich wieder unsere Wege.

Am Montag rief ich bei Frau von Schlichting an, entschuldigte mich für das Versehen und versprach den Schlüssel per Post auf die Reise zu schicken. Hfrdin Christa Dickert rief mich an und teilte mir mit, dass im NGA 9/05 über das "Feenschloss" Rothenhorn der Freifrau Sigrun von Schlichting ein sehr schöner Artikel erschienen ist. Dies nochmal zu lesen empfiehlt man allen interessierten Heimatfreunden. Ebenso möge mein etwas ausführlich gewordener Bericht für eine Reise werben und den älteren Heimatfreunden Erinnerungen an schöne Jahre in unserer schlesischen Heimat bringen.

Günter Burkert, Halle

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