Neuer Glogauer Anzeiger, Nummer 5, Mai 2005

Glogauer Pfingsterinnerungen

von Irmgard Keller, geb. Weirauch

Der Hochaltar der Stadtpfarrkirche
Immer wenn ich diese Verszeile: "Schmückt das Fest mit Maien ..." irgendwo lese, werden viele liebe Erinnerungen an Pfingstfeste in der Glogauer Heimat wach. Es sind Erinnerungen aus verschiedenen Jahren der Kindheit und Jugendzeit; Bilder, die mir zum Nachzeichnen deutlich vor Augen stehen, anscheinend zusammenhanglos nebeneinander und doch alle mit dem gleichen Thema: Pfingsten in Glogau.

Da ist das kleine Mädchen im weißen Festtagskleidchen mit großer Haarschleife im offenen Haar, das am Morgen des ersten Pfingstfeiertages mit einem Auftrag der Eltern zu Bekannten geschickt wird. Still und leer sind noch die Straßen vor dem Kirchgang. Keine Wagen, kaum Fußgänger begegnen dem Kind auf dem Weg, der es von der Langen Straße durch die Kupferschmiedstraße über den Marktplatz hin zur Wilhelmstraße führt. Sonne legt auf den Häusern, deren vertrautes Bild heute so festlich verwandelt ist: an allen Haustüren nicken schlanke Birken im leichten Sommerwind. Hell leuchtet das Grün des jungen Laubes und das Weiß der Stämme vor dem Grau der alten Mauern. Das kleine Mädchen hatte zugeschaut, als am Pfingstsonnabend große Leiterwagen der Stadtverwaltung durch die Straßen fuhren, bis oben vollgeladen mit frisch gefällten jungen Birken aus dem Glogauer Stadtforst. Der Vater hatte schon auf den Wagen gewartet, zwei Bäumchen gekauft und seiner kleinen Tochter gezeigt, wie rechts und links von der Haustür Eisenbänder als Ringe in die Hauswand eingemauert waren, durch die nun die Birkenstämmchen gesteckt wurden und dort Halt fanden. Auch an vielen anderen Häusern der Altstadt waren diese Ringe für die "Pfingstmaien" schon vorgesehen, und alle Nachbarn hatten natürlich ebenfalls kleine Birken vom Wagen gekauft. "Schmückt das Fest mit Maien ...", eine alte Sitte wäre das - so hatte der Vater erzählt. Und nun sah es aus, als ob der Wald in die Stadt gekommen wäre. Nie wird das kleine Mädchen später diesen Weg vergessen, den es an einem stillen, sonnigen Pfingstmorgen durch die grüngeschmückten Straßen der geliebten Heimatstadt ging.

Ein anderes Pfingstfest, ein par Jahre später: Das kleine Mädchen von damals, längst Schülerin des Lyzeums und eifrige Besucherin des Kindergottesdienstes, nimmt am Vorabend des Pfingstfestes am Einleitungsgottesdienst teil, den Pastor Schwarz Jahr für Jahr festlich ausgestaltet. Wenn die Gemeinde versammelt ist, ziehen die Kinder paarweise durch das Hauptportal ein. Voran die Jungen mit kleinen Birken, die rechts und links vom Hauptgang an jeder zweiten Bankreihe ihren Platz finden. Dann kommen die Mädchen, mit Blumenkränzen im Haar und mit großen grünumwundenen Bögen, die zwischen den Birken von Bank zu Bank gespannt werden. Andere tragen große Sträuße leuchtender Sommerblumen und schmücken damit den Altarraum. Der Mai mit all seiner Farbenpracht hat seinen Einzug in den nüchtern-weißen Kirchenraum gehalten. "Schmückt das Fest mit Maien ..." intoniert jubelnd die Orgel - als Thema für die nachfolgende Predigt. Und "Geh aus mein Herz und suche Freud in dieser schönen Sommerszeit...", singt dann die Gemeinde, ehe sie durch den nun grün geschmückten Hauptgang die Kirche verlässt, festlich und pfingstlich eingestimmt.

Einige Jahre später prägt sich das Schützenfest als Pfingsterinnerung ein. Die Eindrücke mancher Jahre schieben sich zu einer Erinnerungsfolge ineinander: festlicher Ausmarsch der Schützen, die den Schützenkönig des Vorjahres abgeholt haben - in ihren schmucken Uniformen ziehen sie in gut ausgerichteten Reihen zum Schützenhaus; Bekannte winken zu unserer Wohnung in der Langen Straße herauf, wir werfen ihnen Blumen zu. Wenn dann ein paar Tage später der neue König (unser Vater wurde es zum Leidwesen seiner Kinder nie, und wir wären doch gar zu gern mal für ein Jahr "Prinzessinnen" gewesen!) in fröhlichem Zug heimgeleitet wird, sind die Reihen nicht mehr ganz so gradlinig ausgerichtet und die Schritte mancher Schützenbrüder nicht mehr gar so sicher! Es war halt derweil einiges "Zielwasser" die Kehlen herabgeflossen, und der neue König hatte ja auch schon ein wenig gefeiert werden müssen!

Für uns Kinder bot das pfingstliche Schützenfest Jahr um Jahr wechselnde Attraktionen. Einmal waren es die Konzerte im "Schützengarten" - wobei uns Kuchen oder Limonade nicht minder wichtig waren als die Märsche und Potpourris, die von der Kapelle im "Pavillon" gespielt wurden. Ein andermal kriegten wir nicht genug von Schiffschaukel und Achterbahn auf dem "Schützenplatz", und im Tanzstundenjahr zog unser ganzer Kreis fröhlich herumalbernd gemeinsam durch "Irrgarten", "Lachkabinett" und "Geisterbahn". Ruhig strömte die Oder am Rummelplatz vorbei und spiegelte abends die bunten Lichter der Buden und Karussells. Auch dort am Schützenhaus mit seinem fröhlichen Pfingstreiben lag ein Stück Kindheitsparadies.

Recht verschiedenartig sind also diese Pfingsterinnungen an Glogau, wie einzelne Mosaiksteinchen, die sich aber doch zu einem ganzen Bilde - einem wunderschönen Pfingstbild - fügen, subjektiv gesehen - und doch von vielen anderen Glogauern ähnlich erlebt: sommerliches Leuchten eines Pfingsttages in morgenstillen Straßen der alten Stadt - andachtsvolle, festliche Einstimmung im "Schifflein Christi" - frohes Pfingsttreiben auf dem Schützenplatz - Stille - Feier - Fröhlichkeit, das alles gehört zum Erinnerungsbild "Pfingsten in Glogau".

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