Neuer Glogauer Anzeiger, Nummer 4, April 2005

Tagebuchnotizen des Buchdruckers Alfred Kirschke

aus Glogau, Preußische Str. (+1948)

1. Fortsetzung und Schluss

Es gelang auch immer mehr, wenn auch mit schweren Verlusten. Unsere Truppen leisteten Hervorragendes, was auch die Heeresberichte erwähnten. Unsere Lazarette füllten sich auch immer mehr. Viele bekannte Glogauer bekam ich zu sehen im Nota-Lazarett. Dr. Herfarth mit Unterstützung anderer Ärzte hatte reichlich Arbeit. Mehrere Arm- und Beinamputationen habe ich gesehen. Unsere Druckerei wurde bald in den Keller verlegt.

Wir haben täglich das Schreien und Wimmern der Verwundeten gehört, besonders wenn sie auf dem Operationstisch lagen. Da lagen Männer mit zerschossenen Gliedern. Besonders das Wimmern der Schwerverwundeten war ergreifend. Man hörte manches Mal: "Ich will nicht sterben. Retten sie mich! Ich bin ja viel zu jung für das Grab!" Bei diesen Worten muss man sagen, es ist ein törichtes Gerede vom Soldatenstolz, der Klagen unterdrückt. Die Dichter schildern den Tod im Kampf so schön, so leicht, aber warum singen sie nicht vom Tod im Lazarett?

Dort ist der Heldenmut vertan, was folgende Worte besonders unterstreichen: "Kommen sie doch zu mir, ich leide fürchterlich. Erbarmt sich keiner?"

Männer mit Kopfschüssen und anderen unrettbaren Verwundungen wurden eingeliefert. Sie wurden in einen besonderen Raum gelegt. Es waren die sogenannten Todeskandidaten. Besonders die mit Kopfschüssen hatten das Benehmen wie Irrsinnige. Sie reifen ihre Angehörigen, die Frau oder Braut.

In einer offenen Feldschlacht können die Verwundeten in Sicherheit gebracht werden. Das ist in einer geschlossenen Festung nicht möglich, was folgendes Erlebnis beweist: eine Fliegerbombe schlug durch ein Kellerfenster des Nota-Lazarettes ein. Zuerst dachten wir an eine verheerende Wirkung, denn ein undurchdringlicher Qualm und eine Staubschicht verhinderten jegliche Orientierung. Nur das Wimmern und Schreien der Verwundeten war zu hören. Glücklicherweise hatte die Bombe nur einen Teil des Kellers eingedrückt, und mehrere Verwundete waren verschüttet. Ungeachtet des fortdauernden Fliegerangriffes wurden die Verwundeten unter den Trümmern befreit. Wir hatten zwei Tote zu beklagen.

Ein Volltreffer einer Bombe schlug in einen Kompaniegefechtsstand in der Langen Straße gegenüber von der Schlossseite ein. Dreizehn Mann mussten ihr Leben lassen, darunter auch mein Kamerad von der "NoTA", der Erich Weidner. Und so habe ich vieles mitgemacht, wo ich immer wieder von Glück reden kann.

Eines Tages haben die Flieger wieder ihre "Übungsflüge" mit Bomben ausgeführt. Wir saßen gerade beim Mittagessen im Quartier, da hätten wir beinahe mitsamt dem Essen ein Massengrab gehabt.

Wir waren 24 Mann. Eine Bombe schlug durch das Haus in den Keller direkt neben uns und nur durch eine Mauer getrennt und blieb treu und brav liegen. Wir staunten das Ding an, es war eine 5-Zentner-Bombe, und sagten uns, wäre sie explodiert, dann wäre es aus für immer. Ein Feuerwerker wurde geholt, der sie entschärfte und von Polen wurde sie hinausgeschleppt. Die Feuerwerker sagten nur, heut könnt ihr Wiederauferstehung feiern, was wir auch gründlich besorgten, denn das Anständige vom Russen war noch, dass er uns nachts ruhig schlafen ließ.

Noch eine Begebenheit, wo mir das Glück zur Seite stand. Mein Leutnant schickte mich mit einer Meldung zum Flemminghaus in das Hauptquartier. Die Stadt lag unter starkem Artilleriefeuer. Ich ging die Kirchstraße entlang bis an die Ecke vom Uhrmacher Jander. Dort stand mein Kameradschaftsführer Handke mit Chefarzt Dr. H. H. Herfarth. Handke rief mich, ich sagte aber, dass ich keine Zeit hatte, und ging weiter. Auch Dr. Herfarth verabschiedete sich. Wir waren kaum einige Meter weg, da erfolgte ein Einschlag direkt an der Ecke, wo Handke steht. Er wurde an die Wand geschleudert, bekam Splitter in den Kopf und hatte nur noch kurze Zeit gelebt.

So reiht sich eine Begebenheit an die andere und an eine Übergabe war nicht zu denken.

Im Gegenteil wurden uns immer wieder Hoffnungen gemacht, dass wir noch befreit werden. Wir haben auch manchen Tag selbst daran geglaubt, besonders des Nachts, wenn man vor dem Quartierposten stand und mitunter heftiges Geschützfeuer in der Nähe und der Ferne hörte. Selbst unsere Versorgungsflieger ließen uns nicht im Stich, die uns allerhand Notwendiges zukommen ließen. Sogar Post kam an, aber leider niemals für mich. Sogar schreiben sollten wir. Auch diejenigen, die keine bestimmte Anschrift hatten. Sie bekamen eine besondere Adresse. Ich weiß sie aber nicht mehr. Jedenfalls habe ich es auch getan. Dass die Post abgeschickt wurde, glaube ich nicht, wer sollte sie abholen.

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Flemminghaus - gesehen von der Kreishausecke
Unsere Flieger konnten nicht mehr landen, da war der Einschließungsring viel zu eng geworden. Es sollte nur eine Beruhigung sein, dass wir mit der Außenwelt in Verbindung stehen. Ja, es gab wohl Kameraden, die in der glücklichen Lage waren, die genaue Adresse der Angehörigen zu wissen. Sie konnten durch Funksprüche ihren Angehörigen Grüße übermitteln.

So gingen die Tage und Wochen dahin. Viele bekannte Glogauer mussten ihr Leben lassen, wie Altmann, Förster, Gräser, Dressler und viele andere.

Die schöne Stadt Glogau wurde immer mehr ein Trümmerhaufen, der Rathausturm zerschossen. Es wurde sogar von uns mit Panzerfäusten noch mehr zertrümmert, um den Russen kein Ziel mehr zu bieten. Die schöne katholische Kirche ist ausgebrannt, die evangelische Kirche ebenfalls; ebenso viele andere wertvolle Gebäude, über haushohe Berge von Schutt mussten wir klettern, besonders in der unteren Mohrenstraße. Die Preußische Straße ist noch ziemlich erhalten geblieben. Bin noch oft in meiner Wohnung gewesen und auch im Keller, wo alles noch unversehrt war. In der Wohnung selbst sah es wüst aus. Der Fußboden war mit Glassplittern übersät, der Putz von den Wänden gefallen. Die Stubentür war aufgesprengt durch die Detonation. Habe mehrmals die Fenster mit Pappe vernagelt, aber alles vergebens. Am nächsten Tag war alles wieder zerrissen.

Eines Morgens, acht Tage vor der Übergabe, bekam ich die Nachricht, dass mein Haus einen Bombenvolltreffer erhalten hat. Eine Bombe hatte die Hälfte des Vorderhauses glatt abgerissen und einen kleinen Teil von Jakubiks Haus. Der große Schrank von uns auf dem Flur sowie Gertruds Küche waren noch zu sehen. Unser Chaiselongue hing noch in der Luft. Ebenso waren verschiedene Bilder von Gertruds Stube zu sehen. Ich habe mir die Katastrophe angesehen, ohne das es mich besonders bewegt hätte. Es war eben alles weg, und damit ist die Sache erledigt. So wird der Mensch, der in einer Festung eingeschlossen ist und von keiner Seite eine Befreiung erwartete. Die Zustände wurden immer trostloser, überhaupt das Elend der Zivilisten, die immer von einem Keller zum anderen gejagt wurden. Wir hatten keine Not an Lebensmitteln. Es war ja alles da. Glogau hätte ja noch zwei Jahre leben können, ohne zu hungern. Als die Firma Bauch brannte, wurden sogar tausend Liter des Weines zum Löschen verbraucht.

Einmal nimmt auch die größte Bedrängnis ein Ende. Der Tag der Übergabe der Festung rückte näher. In der Nacht von Karfreitag zum Ostersonnabend kam der Befehl, wer sich durchschlagen will, kann es tun. Es waren drei Sammelstellen bestimmt. Als dies bekannt war, sagte mir mein Leutnant, ich soll ihn begleiten. Er will zum Festungskommandanten Oberst von Schulenburg. Derselbe ist vom Flemminghaus in den Keller von Pein geflüchtet. Als wir dort ankamen, es war schon spät abends, da wurde uns gesagt, er ist vor einer Stunde abgerückt und zwar getürmt. Das war das Ende der Verteidigung Glogaus.

Es ist aber immer dasselbe Lied, wenn alles verloren ist, dann verdrücken sich die Herren und lassen das Volk im Elend zurück. Erst große Phrasen über Verteidigung bis zum letzten Mann, aber sie selbst versuchen, sich aus dem Chaos zu befreien.

Mein Leutnant und ich gingen nun zur Sammelstelle am Dreyßigmarckplatz, um unsere Erkundigungen einzuziehen. Hier waren schon viele Landser versammelt, die das große Wagnis unternehmen wollten, aus dem Kessel auszubrechen. Ich sagte mir aber, so kaputt und so kaputt. Wie ich dann in der Gefangenschaft gehört habe, sind die Durchbrüche mit schweren Verlusten überall gescheitert. Nur Einzelne haben es geschafft. Karl Brückner soll bei Quaritz in einem Walde liegen.

Ich ging in mein Quartier zurück. Hier hatten wir uns vorbereitet für den Weg in die Gefangenschaft. Tornister gepackt, ich hatte alles neue Wäsche. Meine Uhr und Trauring habe ich in meiner Hose gut versteckt im Tornister. Den Brotbeutel voll Zigaretten und Lebensmittel, Über hundert Rasierklingen und mehrere Stück Seife, zwei Pfund Butter, Fett, Wurst und andere gute Sachen wurden verstaut.

Um vier Uhr morgens erfolgte die Übergabe der Stadt durch den Stadtbaumeister, denn der Kommandant und alle anderen Verantwortlichen waren nicht mehr da. Vielleicht sind sie nicht mehr unter den Lebenden.

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Jesuitenstr., Café-Janke-Ecke, Markt-Ostseite-Goereck-Ecke
Um sechs Uhr sahen wir die ersten Russen in der Stadt. Wie die Horden kamen sie an und meistens betrunken. Was hier die Frauen aushalten mussten, ist nicht zu schildern. Viele mussten ihr Leben lassen oder haben sich selbst das Leben genommen.

Zu uns ins Quartier kamen sie zu Hunderten, weil es sich bald herumgesprochen hatte, dass hier ein Lebensmittelmagazin ist. Mit vorgehaltenen Revolvern wurden Uhren und Ringe verlangt. Nur meine haben sie nicht erwischt. So ging es bis Mittag. Da hieß es auf einmal, alles raus. Die Sachen liegen lassen. Wir kämen bald zurück.

Der Weg ging durch die Stadt bis zur Pestalozzischule, Hier war Sammellager der Gefangenen. Viele Kameraden waren schon hier. Aber fast alle mit ihrem Gepäck. Und wir von der Technischen Nothilfe waren unsere Sachen los, denn ein Zurück gab es nicht mehr.

Am 2. Osterfeiertag frühzeitig begann unser endloser Marsch in die Gefangenschaft. Unser erstes Ziel war zunächst Grünberg. Auf dem Marsch zwischen Beuthen und Grünberg kamen von hinten drei schwere russische Panzer. Der erste fuhr vorbei, der zweite fuhr direkt in unsere Spitze. Vier Tote hatten wir zu beklagen. In Grünberg wurden wir in der Revierförsterei untergebracht. Zunächst mussten sämtliche Messer, Scheren und Rasierklingen abgeliefert werden. Wir wurden zugweise zu fünfzig Mann in großen Räumen untergebracht. Am nächsten Tag wurden wir entlaust und alle glatt geschoren, sahen aus wie die Verbrecher. Aber gelebt haben wir ganz schön. Brauchten nicht arbeiten und haben uns nur gesonnt. Essen gab es dreimal täglich. Wenn es auch nur dünne Suppe war. Vierhundert Gramm Brot und ein Esslöffel voll Zucker. Hier hätten wir die Gefangenschaft gut überstanden. Aber leider dauerte es nur zehn Tage.

Dann ging der Marsch weiter über Sommerfeld nach Göhren. Hier wurden wir verhört.. Ich landete spät abends in einem finsteren Keller. Hier lagen schon Kameraden auf wenig Stroh. Gegen Morgen, es war noch dunkel, wurden uns durch das Kellerfenster mehrere Büchsen Fleisch und gedörrtes Brot gereicht. Drei Mann zwei Büchsen Fleisch. Das erste Essen, was wir seit dem Marsch von Grünberg bekamen.

Bald wurden wir aus dem Keller entlassen und zum Trupp von etwa dreihundert Mann zusammengestellt. Der Marsch ging nun wieder nach Grünberg zurück. Hier trafen wir viele Gefangene. Wir empfingen wieder Brot, und weiter ging es bis Kontopp nach Übernachtung auf dem Bahnhof. Hier wurden wir verladen. Fünfzig Mann in einem Wagen. Wie die Heringe haben wir gelegen. Die Fahrt ging über Schlesiersee, Fraustadt, Lissa, Rawitsch bis nach Kreuzburg/OS. Nun haben wir gedacht, es geht Richtung Russland. Gott sei Dank wurden wir wieder zurück gefahren bis nach Oppeln. Hier wurden wir ausgeladen, und die Parole ging um, dass wir in ein schönes Gefangenenlager bei Oppeln kämen. Leider wurde nichts daraus. Vor dem Zuchthaus in Oppeln wurde Halt gemacht.

Das große eiserne Tor wurde geöffnet. Wir waren nun Zuchthäusler. Fünf Mann in einer Zelle, wo sonst nur ein Mann untergebracht war. Hier haben wir drei Wochen gehaust. Es ging auszuhalten. Dreimal Essen ohne zu arbeiten. Kamen auch nie an die frische Luft. Nur wenn wir Stubendienst hatten. Drei Tage vor der Entlassung aus dem Zuchthaus durften wir täglich zehn Minuten auf dem Hof im Kreis herumlaufen, aber immer zu zweit. Sprechen durften wir aber nicht. Wer erwischt wurde, musste auf dem Bauch hinterher robben.

Nach der Zuchthauszeit von drei Wochen, weiter Marsch über 80 km bis Laband, das liegt in der Nähe von Beuthen/OS. Hier wurden wir in einem großen Siedlungskomplex untergebracht. Vor dem Abmarsch nach Laband wurden wir in Züge von 50 Mann eingeteilt. Für jeden Zug wurde ein Zugführer bestimmt, der für 50 Mann verantwortlich war.

Ich bekam den vierten Zug. So begann nun der schwere Marsch. Viele haben schlapp gemacht und wurden auf Wagen weiter befördert. Aber nur wenn es tatsächlich nicht mehr ging. So haben wir es in zwei Tagesmärschen geschafft. Es hat uns allen gereicht.

Dafür hatten wir nun ein angenehmes Quartier. Allerdings mussten wir alle auf der Erde schlafen ohne Strohsäcke. Aber wir waren so allerhand gewöhnt. Viel arbeiten brauchten wir nicht. Dafür war auch das Essen sehr knapp. Viele waren den vorhergehenden Strapazen nicht gewachsen. Dazu die schlechte Ernährung. Sie wurden krank, und täglich sind viele gestorben. Hier haben wir 2 Wochen verbracht.

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Blick aus der Jesuitenstrasse auf das Stadttheater
Eines Morgens hieß es: Alles raustreten mit Gepäck. Nach kurzer Zeit wurden wir in Autos verladen, und ab ging es nach Blechhammer, das liegt in der Nähe von Heydebrock. Kurz vor dem Ziel ging die Fahrt durch ein richtiges Industriewerk. In einem Wald war unser neues Lager, von einer hohen Mauer umgeben, ein ehemaliges Judenlager. Die Verwüstungen im Lager waren furchtbar, auch tote Juden fanden wir noch. Hier haben wir ein paar Tage Ordnung geschafft und uns einigermaßen wohnlich eingerichtet, sogar Bettstellen standen zur Verfügung. Zehn Mann immer in einer Stube, das war eine Arbeitsgruppe. Ich wurde als Arbeitsgruppenführer bestimmt.

Nach kurzer Zeit begann für uns die Arbeit in der Knochenmühle. Diesen Ausdruck kann man mit Recht gebrauchen, denn hier wurden wir regelrecht geschunden. Ich hatte Gott sei Dank tüchtige Kameraden in meiner Arbeitsgruppe. Wir haben uns bis zur zweitbesten Gruppe empor gearbeitet, so dass wir auch Vergünstigungen hatten. Das Essen war sehr schlecht. Dünne Wassersuppen, 600 g Brot und einen Esslöffel Zucker.

Das große Werk mussten wir abmontieren. Sehr schwere und gefährliche Arbeit. Täglich kamen Unfälle vor, kein Wunder bei dem Arbeitstempo. Mit Gewehrkolben und Peitschen wurden wir zur Arbeit getrieben. Mit Ausdauer, Energie und von dem Willen beseelt, wieder einmal nach Hause zurück zu kehren, habe ich alles über mich ergehen lassen.

Endlich rückte der Tag der Freiheit heran. Ein Tag, den ich nie vergessen werde. Am 2. September gegen Abend hieß es, alles raustreten mit Gepäck und warten auf irgend einen Befehl. Auf einmal wurde das große Lagertor geöffnet und mit den Worten: "Dalsche do doma" wurden wir der lang ersehnten Freiheit übergeben.

Es war mein schönstes Geburtstagsgeschenk. Noch am selben Abend ging ich mit mehreren Schlesiern zur Bahn, mussten aber dort übernachten, denn am nächsten Morgen fuhr erst ein Zug. Auf Dächern und Trittbrettern wurde die Heimfahrt angetreten, das war uns alles egal, die Hauptsache es geht nach Hause. Bin über Liegnitz, Primkenau bis Waltersdorf gefahren. Der Zug fuhr weiter Richtung Sagan. Mit noch zwei Kameraden sind wir in Waltersdorf ausgestiegen, um zu Fuß nach Glogau zu laufen. Zunächst versuchten wir, in Gießmannsdorf etwas Essbares zu bekommen, denn wir hatten Hunger, immer wieder Hunger. Dieses Wort verfolgte uns in der Gefangenschaft wie ein Gespenst. Aber wir wurden von Russen angehalten und nach Dokumenten gefragt, die wir leider nicht vorweisen konnten, denn alle Sachen wurden uns gleich zu Beginn der Gefangennahme abgenommen. Auch sämtliches Geld vernichtet. Also glaubten wir hier an Festhalten der Russen,, aber Gott sei Dank waren wir bald wieder frei und fanden bei Deutschen eine Aufnahme, die wir schon lange nicht mehr gehabt hatten.

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Blick von der Arnoldstrasse zur Rathausruine
Nachdem wir uns tüchtig gestärkt hatten, marschierten wir an der Bahnstrecke entlang, Richtung Glogau. Mittlerweile wurde es aber Abend, und wir entschlossen uns, in Klopschen Quartier zu suchen. Die Aufnahme war auch hier sehr gut.

Am nächsten Morgen marschierte ich mit meinen Kameraden und auf meinen Wunsch über Druse, Hünerei nach Jakobskirch in der Hoffnung, die Tante Liese zu treffen.

Zu meiner großen Freude traf ich sie auch bei Smolarz. Wie mir zumute war, kann ich nicht schildern. Endlich wieder Bekannte getroffen zu haben war für mich ein gutes Zeichen, dass nun alles überstanden ist.

Nachdem wir uns gestärkt hatten, marschierten wir noch am gleichen Tag nach Glogau. Hier erlebte ich wieder eine Enttäuschung, denn meine Angehörigen waren nicht hier. Nur eine Nachricht erhielt ich von Frau Püschel, dass sie meine Frau in Karlsbad gesehen hat.

Sehr entmutigt verließ ich nach zwei Tagen Glogau wieder, nachdem ich festgestellt hatte, dass unser Haus vollständig ausgebrannt war. Mein Ziel war nun wieder Jakobskirch. Ich fand bei Smolarz Unterkunft.

Nach einem Tag Ruhe marschierte ich nach Sprottau, um hier Näheres von meinen Angehörigen zu erfahren. Aber alles vergebens. Das Haus in der Neustr. 11, wo meine Eltern wohnten, war vollständig ausgebrannt. In Kunichen, wo meine Schwester wohnte, war die Wohnung ausgeräumt, ebenso in Eulau, Auenweg 12 bei meiner Schwägerin. So kehrte ich am nächsten Tag sehr mutlos nach Jakobskirch zurück in der Hoffnung, dass meine Angehörigen doch einmal zurückkehren würden. Auf dem Gut ging ich mit der Liese arbeiten, bis dann eines Tages auch Schwager Georg aus der Gefangenschaft kam. Auch er fand hier Beschäftigung aber leider nur kurze Zeit, denn durch einen Sturz vom Wagen hatte er einen Kniescheibenbruch, der ihn lange Zeit im Bette festhielt.

Auch er konnte von Glück reden, dass es nicht schlimmer ausgefallen ist. Trotzdem der Wagen über ihn ging, hat er keine inneren Verletzungen erhalten. Durch aufopfernde Pflege von Tante Liese ist er wieder gesund geworden und hat dann eine sehr gute Stelle in Nilbau gefunden.

Nun sind bald zwei Jahre vergangen, ohne dass uns irgend eine Nachricht von den Angehörigen erreicht hätte. Wir sitzen nun alle drei in unserer selbsteingerichteten Wohnung und warten jeden Tag auf den Abtransport in das Altreich, wo uns - so Gott will - nach diesem schweren Schicksalsschlag ein Wiedersehen mit unseren Angehörigen ermöglicht wird, um eine neue Existenz zu gründen und mit allen Kräften am Wiederaufbau unseres so schwer getroffenen Vaterlandes zu helfen.

ENDE

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