Neuer Glogauer Anzeiger, Nummer 3, März 2005

Tagebuchnotizen des Buchdruckers Alfred Kirschke

aus Glogau, Preußische Str. (+1948)

Durch den Krieg 1939 bis 1945 sind Schicksale entschieden worden, die Wert sind, dass sie der Zukunft erhalten bleiben. So will ich versuchen, auch das Meinige zu schildern.

Spätere Nachkommen sollen daraus ersehen, wie solch ein furchtbarer Krieg das sorglose und ruhige Familienleben zerstören kann. Sie sollen weiterhin sehen, wie ein Mensch trotz schwerer Strapazen und seelischer und nervlicher Sorgen versucht, sein Lebensschicksal zu meistern.

Nur mein großer Wille zum Leben und der Vorsatz, durch harten Kampf das durch den schrecklichen Krieg aus den Angeln geworfene Tor des Lebens nun zu festigen, kann ein Mensch wieder dahin bringen, wo er hingehört; nämlich den Kampf ums Dasein wieder aufzunehmen, um dann später als Sieger hervorzugehen.

So begann mein sorgloses Leben zu schwanken, als ich am 26. August 1939 von meiner Frau und meinen Kindern Abschied nehmen musste, als Pionier-Unteroffizier in den Krieg zu ziehen. Meine Formation, bei der ich mich melden musste, wurde in Klopschen ausgerüstet und zusammengestellt.

Am 2. September, also an meinem Geburtstag, nachdem noch einmal meine Frau und meine beiden Kinder mit mir den Geburtstag gefeiert hatten, wurde die Kompanie verladen.

Mit dem 5. September früh am Morgen begann für unsere Kompanie, der Krieg Wirklichkeit zu werden. In Gewaltmärschen ging es ins Feindesland. An der Einkreisung der polnischen Armee bei Kutno waren wir mitbeteiligt und haben als Divisionspioniere bei der Vernichtung der polnischen Armee tatkräftig mitgeholfen.

Warschau fiel in unsere Hände. Motlin ergab sich. An den Kämpfen an der Burga (???) waren wir beteiligt. Bei der Säuberung des Gebietes östlich der Weichsel halfen wir mit.

Marschieren und immer wieder marschieren war die Parole.

Mit zusammengebissenen Zähnen und wundgelaufenen Füßen wurde manchen Tag die lang ersehnte Ruhe freudig begrüßt, vor allem, wenn es hieß: Morgen ist Ruhetag.

Aber die enttäuschten Gesichter, wenn es dann hieß, es wird weiter marschiert. Hier zeigte sich immer wieder der Wille zum Durchhalten. Bis uns in Terwespol, einem Dorf direkt am Bug, gerade von Brest-Litowsk, die lang ersehnte Ruhe gegönnt wurde.

Sechs Wochen haben wir das sorglose Soldatenleben kennengelernt, zumal uns auch die Post der Angehörigen erreichte.

Unsere Streifzüge an der Bug machten uns mit den Russen bekannt, die uns schon damals argwöhnisch und misstrauisch von den Wällen und Festungen aus beobachteten.

Mit den Polen hatten wir ein gutes Zusammenleben. Aber auch diese Zeit nahm ein Ende. Für uns kam der Rückzugsbefehl. In Polen wurde unsere Kompanie neu formiert, das hieß, die älteren Jahrgänge, darunter auch ich, wurden einem Pionierbatallion zugeteilt. Hier bekam ich den Posten eines Waffenunteroffiziers.

Im August 1940 wurde das Pionierbatallion verladen, um in Mainz-Castell eine neue Garnision zu finden. Hier machten wir die erste Bekanntschaft mit den amerikanischen und englischen Fliegern, die uns keine Nacht in Ruhe ließen und auch später Mainz stark zerstörten. 1941 wurde ich UK gestellt, um die Tätigkeit als Buchdrucker wieder aufzunehmen. Noch nicht ein Jahr war ich als Jünger der schwarzen Kunst beschäftigt, als ich in das Rüstungswerk der Stadt Glogau einrücken musste. Hier wurde ich als Mechaniker umgeschult und arbeitere am Bau von Apparaturen für Flugzeuge. Später, als ich Werkschutzmann wurde, sah ich die Geschehnisse heranreifen, die gewissermaßen als zweiter Abschnitt meines Schicksals bezeichnet werden können.

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Als die Evakuierung Glogaus begann, musste ich mich abermals von meiner Familie trennen. Meine Frau und die Kinder fanden zunächst in Sprottau, Neustr. 11, bei meinen Eltern Unterkunft. Ich hatte auch das Glück, sie hin und wieder von Glogau aus besuchen zu können.

Als ich am 9. Februar Sprottau verließ, begann für mich eine schwere Zeit, die ich nie vergessen werde. Meine Frau und Tochter waren noch mit auf dem Bahnhof, um noch einmal den Versuch zu machen, mit nach Glogau zu fahren. Leider wurden Frauen und Kinder nicht mehr mitgenommen. Meine Frau wollte am selben Tag noch einmal versuchen, mit einem Auto nach Glogau zu kommen. Es muss wohl nichts daraus geworden sein, und so wurden wir getrennt, ohne Abschied genommen zu haben. Meine Stimmung war sehr gedrückt. Auf dem Bahnhof Glogau war reger Verkehr. Ein Flüchtlingszug stand wieder abfahrtsbereit.

Zu meiner größten Freude traf ich hier meinen Sohn. Die gesamte Hitler-Jugend und noch viele andere verließen Glogau. Mein Sohn Hans beauftratge ich, in Sprottau auszusteigen. Ob er es versucht hat, weiß ich nicht, denn ich war von diesem Tag an von jeder Nachricht abgeschnitten. (Hans hat es nicht versucht; lebt heute in Kiekebusch.)

Habe also keine Post mehr bekommen und war mit vielen anderen dem Schicksal in Glogau überlassen. Ein Glück, dass ich noch am selben Abend meinen Schwager Georg traf. Bei mehreren Flaschen Wein, die ich organisiert hatte, beschlossen wir die Flucht aus Glogau.

Leider wurde nichts daraus, denn der zu viel getrunkene Wein, womit ich meinen Kummer betäuben wollte, trug dazu bei, dass ich zu Hause eingeschlafen bin.

Als ich am nächsten Tag erwachte, hörte man bereits das Donnern der Geschütze in der Ferne, und einzelne Einschläge erreichten bereits die Innenstadt Glogaus.

Im Laufe des Nachmittags erschienen die ersten russischen Flieger und warfen Bomben in der Nähe des Bahnhofes und am Flemmingteich ab. Ich war gerade in der Nähe der Firma Bauch und habe im großen Toreingang Deckung genommen, wo ich den Angriff der Flieger beobachten konnte. Eine Fliegerabwehr konnte ich nicht feststellen.

Am 11. Februar habe ich mich mit vielen anderen im katholischen Konvikt in der Promenade melden müssen. Aus meiner Wohnung habe ich alles in den Keller geschafft, was irgend ging, packte meine notwendigsten Sachen und machte mich auf den Marsch zum Konvikt.

Als ich auf dem Promenadenweg zwischen Ebertdenkmal und Goethepavillon war, erfolgte ein Einschlag auf der Wiese am Pavillon, direkt in einen Munitionsstapel. Hier lag ich das erste Mal platt am Boden, bis die Gefahr vorüber war. Die Brocken flogen ganz anständig in der Gegend herum. Aber Glück muss man haben, und es hat mich auch nie verlassen.

Vom Konvikt aus gingen die ersten Volksstürmer am Stadion in Stellung. Am Nachmittag wurden bereits die ersten Verwundeten gebracht. Die russische Artillerie legte nun noch ein lebhaftes Artilleriefeuer in die Promenade und die umliegenden Straßen. Unser Sammelquartier blieb verschont. Gegen Mitternacht kam der Befehl; alles raus nach der Herrndorfer Straße. Von hier aus sollte mit bereitgestellten Autos ein Durchstoß durch eine noch offene Lücke in Richtung Beuthen erfolgen. Ich saß bald frohen Herzens im Auto und wartete auf die Abfahrt.

Plötzlich tauchte der Kreisleiter auf und befahl: "Alles aussteigen! Es bleibt alles hier!"

Der zweite Versuch, Glogau zu verlassen, war missglückt. War es nun Bestimmung oder Schicksal? Ich weiß es nicht. Jedenfalls ging ich nun die Herrndorfer Straße entlang, um noch einmal selbstständig den Marsch in die Freiheit anzutreten, wurde aber bald zurückgewiesen und landete, ob gewollt oder ungewollt, in der Hindenburgkaserne. Habe mich bei einer Baupionierkompanie gemeldet und beteiligte mich als Gruppenführer beim Kampf um die Verteidigung Glogaus.

Es war der 12. Februar. Der Ring um Glogau war geschlossen. Ein Zurück gab es nicht mehr. Ich habe nun sieben Wochen lang den Untergang der einst so schönen Stadt miterlebt. Gegen Mittag ging die Kompanie auf der linken Seite der Lindenruher Straße, beim Grundstück des Zahnarztes Fust, bzw. in der Nähe meines Schrebergartens, in Stellung.

Der Russe hatte sich bereits auf dem evangelischen Friedhof festgesetzt. Ein kurzes Feuergefecht setzte ein, was aber bald von der russischen Seite aus nachließ.

Wahrscheinlich hatte er nur mit schwachen Kräften einen Vorstoß versucht. Die Kompanie bekam bald den Rückzugsbefehl.

Nach kurzer Ruhepause wurden wir abermals alarmiert. Es war schon dunkel, aber klares und trockenes Wetter, auch nicht zu kalt. Wir wurden vor dem Lazarett an der Brostauer Straße eingesetzt. Die Russen müssen wohl unser Unternehmen gemerkt haben, denn es setzte ein kräftiges Feuer aus Richtung Paulinenhof ein, durch welches wir gezwungen waren, einzeln, sprungweise in Stellung zu gehen. Es glückte ohne Verluste. Ich selbst lag mit meiner Gruppe am linken Flügel in Richtung Rauschwitzer Straße. Rechts an uns angelehnt aktive Pioniere, die sich bis an die Brostauer Straße heranzogen. Wenn auch das Wetter von oben trocken war, so standen wir im Graben in einem schlammigen Lehmdreck.

Die Nacht verlief sehr ruhig. Aber das Stehen in dem lehmigen und nassen Graben hat manchem Lanzer das Leben sauer gemacht. Da hat uns ein Schluck Schnaps wohl getan, den wir kurz vor dem Ausrücken in Empfang nehmen durften.

Bei Tagesanbruch war es noch verhältnismäßig ruhig, wenn auch einzelne Granaten die Siedlungshäuser beschädigten.

Solange ich dort in Stellung lag, war das Haus der Schwägerin Grete noch unversehrt. Am Paulinenhof beobachteten wir lebhaften Betrieb der Russen, was auf irgend ein Unternehmen hindeutete. Tatsächlich erfolgte bald ein schwerer Feuerüberfall mit Granatwerfern auf unsere Stellung. Gott sei Dank sind keine Verluste eingetreten, denn die Einschläge waren immer vor und hinter dem Graben. Wir lagen ganz stur an der Grabenwand und warteten der Dinge, die da kommen sollten. Denn das war uns gewiss, ein russischer Angriff würde erfolgen. So lange wir unter Granatwerferfeuer lagen, war nichts zu befürchten.

Plötzlich verstummte das Feuer, und nun aufgerichtet und den Blick nach vorn! Tatsächlich kam der Russe! Unsere MG's lichteten die Reihen der Angreifer zusehends. Aber trotzdem kam der Angriff langsam vorwärts. Unsererseits waren zu wenig MG's vorhanden. Trotzdem auch unser Gewehrfeuer einsetzte, schob sich der Russe immer weiter nach vorn, besonders am linken Flügel, wo ich mit meiner Gruppe lag. Zu allem Unglück hatte mein MG noch Ladehemmung, die nicht beseitigt werden konnte. Der Russe schob immer näher. Meine Durchsagen nach rechts MG-Ausfall, Handgranaten nach links blieben erfolglos. Als ich selbst nach rechts lief, um Hilfe zu holen, und gerade auf dem Rückweg war, kamen mir schon meine Kameraden entgegen und riefen: "Der Russe kommt in den Graben!" Mir blieb nichts anderes übrig, als mit zu türmen. Es waren meist alles alte Familienväter. Wir haben uns hinter die Siedlungshäuser zurückgezogen. Nun erfolgte ein Gegenangriff vom rechten Flügel aus, den ich gut beobachten konnte und der auch Erfolg hatte. Ich habe auch weiterhin gesehen, wie zehn bis dreizehn Mann zu den Russen überliefen und gut durchgekommen sind. Sie wurden von unseren Kameraden beschossen, aber sie sind doch durchgekommen. Der Gegenangriff hatte Erfolg, der Russe wurde wieder zurück gejagt. Auf unserem linken Flügel sind die Russen bis zum Lazarett vorgedrungen - mit großen Verlusten.

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Wir bezogen wieder unseren Grabenabschnitt, was nicht leicht war, denn der Russe, der unser Vorgehen bemerkte, belegte uns mit starkem Feuer. Nach und nach trat wieder Ruhe ein. Mittlerweile wurde es wieder Abend. Die Nacht rückte heran, wir hofften auf Ablösung, zumal wir nichts Warmes im Magen hatten. Aber leider vergebens. Und so hockten wir wieder die ganze Nacht im nassen und lehmigen Graben. Unsere Uniform ganz durchnässt, denn es setzte Schneeregen ein. Ich sah aus, wie durch den Lehm gezogen, mein Gewehr war vollständig verdreckt, meine Werkschutzpistole hatte ich durch die Flucht aus dem Graben verloren. Jedenfalls war die Stimmung nicht rosig. Aber auch diese Nacht verging. Am nächsten Tag wieder Granatwerferfeuer auf unsere Stellungen und Artilleriefeuer in die Siedlungshäuser. Bisher hatten wir an Verlusten einen Toten und zwei Verwundete. Ein Angriff erfolgte nicht mehr. Auch von uns wurde nichts unternommen, was ich nicht ganz verstehen konnte, denn der Russe lag nur mit schwachen Kräften vor uns. Aber warum erst lange darüber reden, wir waren ja doch nur diejenigen, die sich zwecklos opfern müssen. Es wurde wieder Abend und noch immer keine Ablösung. Die Landser wurden schon ungeduldig. Es wurde Mitternacht. Einzelne verschwanden aus dem Graben. Unser Zugführer, ein SS-Leutnant, war auch nicht mehr da. Damit war auch unsere Disziplin zu Ende. Auch ich zog mich zurück und habe in der Kaserne in irgend einem Keller geschlafen, weil ich mein Quartier nicht mehr fand. Am nächsten Morgen mussten sich alle Versprengten melden. Ich zählte mich auch dazu, denn unsere Kompanie war in Auflösung begriffen. Kein Wunder, diese alten Familienväter sollten sich nutzlos opfern. Kerntruppen gab es in Glogau nicht viel. Überhaupt war es unverantwortlich, diese schöne Stadt vollständig vernichten zu lassen, ohne irgend einen strategischen Vorteil zu erringen.

Jedenfalls meldete ich mich bei der Versprengtenmeldestelle, wurde der Technischen Nothilfe überwiesen, weil ich angab, dass ich dort zuständig wäre. Mein Militärpass sagte auch aus, dass ich zuletzt keinem Truppenteil angehörte. Zunächst ging ich ins Kreishaus, um zu erfragen, wo die technische Nothilfe liegt. Hier traf ich zufällig den Brückner Karle, der mich von oben bis unten ansah, denn ich sah nämlich einem Krieger ähnlich, der schon wochenlang im Graben gelegen hat.

Er sagte mir, dass ich mich im Flemminghaus erkundigen soll, wo die "Teno" liegt. Bekam auch neue Sachen und reichlich Cognac zu trinken, der mir auch willkommen war, denn mir war sehr elend zumute. Zufällig traf ich im Kreishaus einen Arzt, den Dr. Müller, denn ich hatte starke Halsschmerzen. Er sagte mir, ich hätte Angina, und schickte mich in sein Revier, welches das Eckhaus am König-Friedrich-Platz, gegenüber der Buchhandlung, war. Hier habe ich drei ruhige und sorglose Tage verbracht. Hier habe ich auch viel an die schöne Vergangenheit gedacht und mich gefragt: "Warum musste das so kommen? Es ist doch alles umsonst. Der Krieg ist verloren und mit ihm unsere schöne Heimat.."

Nach meiner Genesung ging ich ins Flemminghaus, um mich bei der Technischen Nothilfe zu melden. Es wurde mir gesagt, dass sie am Markt bei Alois Hoffmann im Keller liegt. Ich meldete mich beim Kameradschaftsführer Handke. Zu meiner größten Freude traf ich viele bekannte Kameraden, wie: Schätzel, Kirchner, Müller, Linde und Menzel. Die Begrüßung war herzlich.

Zunächst ging ich in meine Wohnung, um mir meine Teno-Uniform anzuziehen. Hier war noch alles beim Alten und unversehrt. Im Kreise meiner Kameraden fühlte ich mich sehr wohl, zumal auch die Verpflegung in Ordnung war. Alle feinsten Genüsse, die wir früher nicht mehr zu sehen bekamen, wurden uns aufgetafelt und zwar vom Geschäftsführer Kurasch.

Meine Kameraden hatten einen schweren Dienst, z.B. Straßensperren bauen, Herstellung von Kellerdurchbrüchen, Freimachung von eingefallenen Durchbrüchen, Befreiung von Verwundeten, Einsatz bei Bränden usw. . Zu allem Ruhm unserer Feuerwehr muss ich noch mitteilen, dass sie während unserer Einschließungszeit, Übermenschliches geleistet hat, was auch die Bergung der vielen Verwundeten und Toten beweist.

Auf Anforderung des Kameraden Schätzel wurden Müller, Kirchner und ich, später auch Menzel, in die "Nota" beordert, um hier mit den Kameraden Klose, Walter, Kinzel und Sydow bei der Herstellung einer täglich erscheinenden Zeitung, dem "Festungsboten", zu helfen.

Auch andere Drucksachen wurden von allen Formationen verlangt. Wir standen unter dem Befehl eines Leutnants. Gleichzeitig war in den Kellerräumen das Lazarett eingerichtet, dass mir manchen traurigen Anblick bot, wie schrecklich die Zustände in einer eingeschlossenen Festung sind.

Die Beschießung war an manchem Tag ganz gewaltig. Viele Brände brachen aus, was in der Nacht ein schaurig-schönes Bild war. In den ersten Tagen brannte das Vorderhaus der Nota vollständig aus. Das Hinterhaus, also der technische Betrieb blieb erhalten. Hier hatten wir schwere Fliegerangriffe durchzuhalten, weil wir so gleichgültig waren, in den Keller zu gehen.

Eines Tages waren Kirchner und ich im Setzersaal, als ein Angriff erfolgte. Der Zufall wollte es, dass eine Bombe mitten in den Hof gesetzt wurde. Wir wurden anständig geschleudert. Das Licht ging aus, und wir standen auch noch in einer undurchsichtigen Staubwolke. Im ersten Moment dachten wir, jetzt sind wir verschüttet, und versuchten den Ausgang zu erreichen. Nach und nach verzog sich der Rauch und Staub, und der schönste Sonnenschein lachte uns entgegen. Als wir in den Hof kamen und uns über Schuttmassen in den Keller begaben und uns beim Leutnant zurückmeldeten, der uns verloren glaubte, sahen wir aus, als wenn wir den ganzen Tag in Staub und Dreck gearbeitet hätten. Aber wir waren gerettet.

Die Fliegerangriffe wurden immer schlimmer. Zweimal waren wohl deutsche Flieger da, welche die Russen verjagten, aber dann war es aus. Die Angriffe dauerten manchen Tag von früh bis abends. Die Russen haben regelrechte Übungsflüge gemacht, denn auch eine Fliegerabwehr gab es nicht. Die Flakgeschütze, welche wir hatten, wurden für Erdbeschuss verwendet. Die russische Infanterie versuchte mit Unterstützung der Artillerie immer näher an den Stadtkern heranzukommen.

Fortsetzung folgt.

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