Neuer Glogauer Anzeiger, Nummer 9, September 2002

Die Glogauer Stadtpfarrkirche zum hl. Nikolaus

von Dr. theol. Karl Kastner

§ 6. Das Innere der Stadtpfarrkirche

1. Fortsetzung

2. Abschnitt: Baubeschreibung

§ 5. Das Äußere der Stadtpfarrkirche

Unser Gotteshaus ist eine dreischiffige, gotische Hallenkirche (so nennt man eine Kirche, bei der das Mittelschiff nicht überhöht ist). Es ist über 70 Meter lang und über 35 Meter breit. Der Turm erreicht mit 62 Metern etwa die Höhe der Breslauer Domtürme vor ihrer Behelmung. Jede Turmseite mißt rund 12 Meter. Die Kirche ist ein Ziegelrohbau, bei dem der Haustein nur in ganz beschränktem Umfange am Haupt- und Nordportal Verwendung fand.

Beginnen wir unseren Rundgang um die Kirche beim Hauptportal! Lutsch schreibt (a.a.O.):”Von den Portalen ist das des Turmes reicher ausgebildet: bei dem jetzigen Zustande, wo leider alle Glieder überputzt sind, läßt sich nicht recht feststellen, ob der steile Wimperg mit seiner im Gepräge der Ziegelrohbautechnik gehaltenen Blendmaßwerksfüllung und seinem Schmuck an Kantenblumen aus Sandstein oder Terrakotta besteht.” Das im Laufe der Jahrhunderte arg beschädigte dreiteilige, gotische Portal, das mit seiner Leibung aus Sandstein wohl dem 14. Jahrhundert angehört, wurde in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts bei einer Restauration mit Zementputz überarbeitet.

In einer Nische des Wimperges über dem Hauptportal steht die Büste (oder ist der übrige Teil der ganzen Figur überputzt worden?) des Kirchenpatrons, des hl. Nikolaus. Im Bogenfelde des Portals befindet sich ein einfaches Rundfenster. Das rundbogige Holztor stammt aus neuerer Zeit.

An den beiden Ecken des Turmes steigen Strebepfeiler bis ins zweite Turmgeschoß, deren Abstufungen durch Giebel geziert sind. Der Turm weist sechs Geschosse ohne das oben erwähnte Kniegeschoß auf, die allseits durch Blendnischen belebt sind, und zwar sind letztere in den ersten vier Geschossen spitz-, in den letzten beiden rundbogig. An der Ostseite des Turmes ist noch deutlich abzulesen, daß das Kirchdach vor dem Brande höher und steiler war. An allen vier Seiten des Turmes zeigen sich starke “Brüstungsrisse” mit gleichen charakteristischen Merkmalen in den beiden unter dem Glockengeschoß liegenden Stockwerken. Sie mögen schon manchem Beschauer Beklemmung verursacht haben. Deshalb trat die Stadtpolizeiverwaltung am 9. März 1911 an den Kirchenvorstand heran, um ihn zu einer fachmännischen Untersuchung zu veranlassen. Das Gutachten der anwesenden Techniker bei der am 24. April 1911 vorgenommenen Prüfung lautete beruhigend dahin: “Die Risse sind anscheinend schon sehr alt und können sogar bald nach Fertigstellung des Bauwerkes entstanden sein... Einen besonderen Einfluß auf die Standhaftigkeit des Turmes üben diese Risse nicht aus.”

Lenken wir unsere Schritte vom Hauptportale nach rechts, so gibt der Strebepfeiler, der dem Eckpfeiler des Turmes folgt, die ursprüngliche Grenze der Außenmauer der Kirche bzw. des südlichen Seitenschiffes an. Der weitere Anbau am Strebepfeiler zeigt, wie architektonisch belebt die Außenfront der Kirche vor der Einfügung des Kapellenkranzes war. Das große rundbogige Fenster in der Westwand der Kreuzkapelle stammt wohl aus der Zeit nach dem Brande im 17. Jahrhundert. Darunter zeichnet sich noch die Spur eines niedrigen Daches ab. Nach dem großen kolorierten Stadtbild von 1698 im Sitzungssaale des Rathauses muß hier ein kleines, niedriges Kapellchen zwischen die Strebepfeiler eingemauert gewesen sein. Wandert der Blick vom Fenster nach oben, so sind an dem Mauerwerk deutlich drei Spuren verschiedenen Alters des Dachunterbaues zu erkennen. Weiterhin begegnen wir einem vermauerten Eingang in die Kreuzkapelle, der dem Turmeingang auf der anderen Seite entspricht. Die Vermauerung mag erfolgt sein, als die Mansionare (Vikare) der Kreuzkapelle, die einst in der Nähe der Kapelle ihre Wohnung (mansio) hatten, nicht mehr existierten.

In den ersten Strebepfeiler auf der Südseite ist ein kleiner Sandstein mit verwitterter Schrift eingelassen. Notdürftig ist noch der Name geb. Rusckin zu lesen. Am folgenden Strebepfeiler findet sich ein Denkstein für Andreas Ferdinand Sobeck, † 1721, mit gefälliger Palmenumrandung. Nach dem Begräbnisbuch (unterm 26. August 1721) war er “Schantzschreiber”. An der Mauer unter der Heinrichskapelle ist über dem Boden ein Denkmal mit einem Kinderreliefbild für ein Mädchen Jaetsch, 7 Jahre alt, eingelassen aus dem Jahre 1640. Etwas weiter nach rechts unmittelbar unter dem Kapellenfenster befindet sich ein von einem Lorbeerkranz umrahmter Denkstein für den am 27. November 1790 † Maler Franz Ludwig mit dem Reim:

“Er ward zum Tod bereit
Da er so ofte mahlte
Das Bild der Sterblichkeit
Indem ers selbst mit seinem Leben zahlte.”

Am vierten Strebepfeiler ist an der Ostseite Karoline Bauch, geb. Fasolo, † 15.2.1789, ein Denkmal gesetzt, das von einer Urne gekrönt wird, um die sich eine Schlange windet.

In die Westwand der Nikolauskapelle sind fünf Grabseine eingemauert. Sie weisen bis auf den letzten ansprechende Barockumrahmungen auf. Wir nennen sie von links nach rechts. Der erste Stein ist dem am 8. Juni 1721 † Bürger und Maler Johann Hoffmann gesetzt. Rechts oben folgt der Gedenkstein der am 25. Dezember 1784 † Frau des Oboisten beim Kellerschen Regiment Maria Josepha Jörger. Nach dem Begräbnisbuch ist sie an dieser Stelle auf dem Friedhofe, der die Kirche umgab, begraben. Darunter ist das Denkmal des am 29. Juni 1720 † Priesters Johann Christian Seidel, dem es nur vergönnt war, siebenmal das hl. Meßopfer darzubringen. Die Inschrift lautet: Quis iacet hic quaeris aut conquereris. En viator: Rvd. Dom. Joa. C. Sedela. a. 1. 1. (= artium liberalium) Ph(iloso)phiae Magister ss. Theologiae Baccalaureus Glog. natus Anno 1694 de 2. Aprilis. Denatus Anno 1720 die 29. Junii celebrato septies missae sacrificio. Weiter rechts oben ist der Denkstein der am 24. Juni 1758 † Frau des Kauf- und Handelsherrn Christiana Riva. Das Begräbnisbuch vermerkt: “Den 26. abends mit der ganzen Schule wegen Abgang der Glocken wegen des unglückseligen Brandes still begraben worden.” Darunter befindet sich die schlichte Gedenktafel für den am 22. Mai 1718 † Maurermeister Johann Wagner.

Der Strebepfeiler in der Ecke, die von der Südwand der Josephs- und der Westwand der Nikolauskapelle gebildet wird, belehrt uns, daß letztere anfangs nur die Breite bzw. Tiefe der ersteren hatte, später aber bis zur Außenmauer der tief nach Süden vorspringenden Loretokapelle erweitert wurde. Dasselbe verrät der schräggestellte Strebepfeiler am Zusammenstoß der Südmauern beider Kapellen, der einst die freiliegende Ecke der Loretokapelle stützte. Die kleine Eingangshalle bei der Loretokapelle stammt aus neuerer Zeit. Tritt man aus dieser Halle heraus und schaut zur Linken auf das Katzenkopfpflaster zwischen den zwei folgenden Strebepfeilern, so sieht man die Jahreszahl 1871 mit folgendem dicken Punkt, die der Steinsetzer aus Steinen gebildet hat. Die großen gotischen Spitzbogenfenster der alten Sakristei sind bei der Verwendung des Raumes als Schutzhalle der Loretokapelle in kleinere Rundbogenfenster umgearbeitet worden. Im übrigen ist die Süd- und Nordfront der Kapellenmauern durch kleine spitzbogige Fensterblenden die z.T. durch Strebepfeiler verdeckt werden, verziert. Das Maßwerk der großen gotischen Fenster schießt in der Regel senkrecht in die Bogenlinie. Die äußere Fensterumrahmung an der Josephskapelle ist an den Seiten bis zum Boden herabgeführt und bildet so als Andeutung das Gegenstück zu dem Nordportal. Pfarrer Scholtze ließ nach dem Brande von 1758 hier einen Eingang in die Kirche durchbrechen. Die ein wenig über dem Boden gelegenen kleinen vergitterten Fensterluken verraten uns, daß die Kapellen mit Gruftgewölben ausgestattet sind.

Die Fenster der (neuen) Sakristei sind stark vergittert und mit schmiedeeisernen Läden versehen, die 1792 der Schmied Weißer für 120 Reichstaler, 7 Silbergroschen und 6 Pfg. anfertigte. In der Ostwand der Sakristei befinden sich noch zwei einfache Grabsteine. Der erste ist der am 26. Dezember 1718 bestatteten Krämersfrau Reichel, der andere dem Ehepaar Bäckermeister Joseph Krause († 29.3.1794) und seiner Frau Maria Rosina geb. Graupe († 18.6.1794) gesetzt worden. Steht man vor dem Osteingange der Kirche und schaut über das schmale Sakristeidach hinauf zum Zusammenstoß der Ostwand des südlichen Seitenschiffes mit der Mauer des Presbyteriums, so gewahrt man einen zum größten Teil vermauerten Strebepfeiler. Dies beweist, daß das Presbyterium einst freilag, ehe die Seitenschiffe bis zum fünfseitigen Chorabschluß nach vorn verlängert worden waren.

In dem Gärtchen vor dem Presbyterium stand bis zum letzten Kirchbrande (1758) die Ölbergskapelle und davor eine Statue der schmerzhaften Mutter Gottes. Beim Wiederaufbau der Kirche wurde, wie bereits kurz erwähnt, die Ölbergskapelle in die Kirche selbst verlegt. Die neue Muttergottesstatue aber, übrigens ohne künstlerischen Wert, erhielt 1774 ihren alten Platz. Sie stammt von dem Bildhauer Jerschgerschky, der auch die Holzfiguren in der Kirche größtenteils verfertigt hat († 20.8.1785). Von den Spuren der ehemaligen Bäckerkapelle war ebenfalls bereits die Rede.

An der Nordfront der Kirche sind links vom Portal wieder einige Grabsteine eingemauert. Wir verzeichnen sie wieder von links nach rechts. Unter dem Fenster mit dem Bilde Mariä Himmelfahrt befindet sich ein Denkstein des Chirurgen und Bademeisters im Fürstentum Glogau Johann Joseph Hosver († 22.4.1752). In der Ecke, wo die Nordwand des Seitenschiffes mit der Ostwand der schmerzhaften Mutter Gottes-Kapelle zusammenstößt, verrät wieder ein eingemauerter Strebepfeiler, daß der folgende Kapellenzug später angebaut worden ist. Der nächste Leichenstein ist dem Chirurgen und Schöffen Johann Bernhard Lamb gesetzt († 4.12.1717). Auf den Namen folgt eine Bitte um das fürbittende Gebet. – Sta viator! Adest generosus ac praecellens Dominus Johannes Bernardus Lamb. Chyrurgus Ducatus Glogoviensis et Aulae Regiae scabinus vixit Annis 45 mortuus die 4. Dec. 1717. – Cogita lector et hic jacenti precare similiter posteritas orbis tibi precabitur. Executor posuit: crescat in beatitudine qui fuerat in tempore.

Weiterhin rechts oben ist der Denkstein für den Kürschner-Ältesten Christoph Ruff († 6.8.1800), darunter ein solcher für den Kürschner-Ältesten Johannes Ruff und seine Frau Anna Rosina († 15.5.1766) und ganz unten endlich ein solcher für den Ober-Ältesten der Fleischhauer Hans Georg Hocke († 8.10.1709) und seine Frau Helene geb. Hübner († 24.6.1722).

Das Nordportal ist durch drei Sandsteinfiguren aus dem späten Mittelalter (14. Jahrhundert) ausgezeichnet. In der Mitte ist die meterhohe Rundfigur der Mutter Gottes mit dem Jesuskinde aus Sandstein auf einer Traube ausgekragt. Daneben rechts vom Beschauer steht die hl. Katharina auf der Büste eines Mannes und ist am Rad und der Palme zu erkennen. Links ist die hl. Helena aufgestellt.

Am Strebepfeiler der Ölbergskapelle, nach Westen zu ist der älteste uns erhaltene Grabstein mit schöner gotischer Frakturschrift und Wappenrelief eingelassen. Er ist der am 15.12.1563 † Dorothea Dreißigmarck gesetzt. Die Inschrift lautet, so weit sie noch leserlich ist: “Nach Christi unsers Seligmachers Geburt 1563 den 15. Decembris ist in Gott seliglich entschlaffen die erbare tugentsame Fraw Dorothea Dreissigmarck in des ernvesten Hansen Geigers (Familienname) ehliche Hausfraw der Gott ein fröliche Auferstehung verleihe. Amen.” Dann ist das Wappen angebracht und dahinter steht: “Ich sprach er lebt denn . . . auf den ich in der Not vertraut . . . Wird mich wider aus dem Grab heben das ich aus der Erdt Vom Todt wider erwecket werdt. In meinem Fleisch wird ich Gott sehen Ist gewislich war und wirt geschehen. Hiob 19.”

Kehren wir zur Westwand der Kirche zurück, so finden wir an einer Abstufung des Strebepfeilers noch ein einziges krappenartig verziertes Formsteingiebelchen. Über dem Turmeingang ist eine alte, gotische, verzierte Fensterblende mit Wimperg enthalten. 1891 wurde an den Außenwänden und Pfeilern und der Basis der Mauern eine durchgreifende Reparatur vorgenommen.

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§ 6. Das Innere der Stadtpfarrkirche

Wenn Lutsch a.a.O. vom Langhause aus der ersten Hälfte des 14. Jhrh. Und vom Chorbau am Ausgange des 14. Jhrh. Spricht, so nimmt er an, daß das Presbyterium an das bereits vorhandene Schiff angebaut wurde. Das ist aber, wenn wir an andere Kirchen denken (Dom, Neumarkter Stadtpfarrkirche usw.) höchst unwahrscheinlich. Den Anfang des Baues bildete offenbar das Presbyterium, das mit seinen drei Jochen anfangs frei lag. Es hatte einst neun Fenster, von diesen ist das mittelste hinter dem Hochaltar, seit der Barockausstattung der Kirche vermauert worden. Vier weitere sind nur noch als Oberfenster-Blenden erhalten. Wenn Lutsch aber schreibt: “Chor und Langhaus zeigen jetzt den Querschnitt einer Hallenkirche; ersterer war von vornherein in dieser Form ausgeführt, die anscheinend verbauten Oberfenster geben sich bei näherer Untersuchung wenigstens an der Nordseite – auf der Südseite ist der einstige Bestand nicht nachweisbar – als “gleich anfängliche Blenden zu erkennen”, so hat er nicht beachtet, daß, wie oben in der Baugeschichte bemerkt, die Seitenschiffe erst später bis zum fünfseitigen Chorabschluß nach vorn gezogen worden sind. Das zeigte uns der vermauerte Strebepfeiler außen an der Ostseite, das lehrt aber auch eine Umschau im Innern der Kirche.

Der eben erwähnte Strebepfeiler ist auch noch im Innern neben der Kommunionbank sichtbar. Ein Blick auf die Gewölbe der Seitenschiffe zeigt uns, daß letztere einst bei dem Triumphbogen des Mittelschiffes ihr Ende erreichten, dann aber in ungleicher Form bis zum Chorabschluß fortgesetzt wurden. Sind auch die Gewölbe nach dem Brande von 1758, weil sie zum Teil eingestürzt waren, erneuert, so ist ihre Anlage jedoch nicht verändert worden. Während die Pfeiler des Langhauses im Grundriß die Form eines regelmäßigen Achtecks zeigen und die Arkadenkämpfer durch ein aus Kehle und Stäbchen bestehendes Gesims ausgezeichnet sind, finden wir, daß die Pfeiler des Chorraumes dadurch entstanden sind, daß man nach Verlängerung der Seitenschiffe von hier aus durch gotische Toröffenungen die Verbindung von Chorraum und Seitenschiff herstellte. Die dadurch übrigbleibenden Mauerpfeiler bezeichnen die Stelle der alten Strebepfeiler.

Stand somit das Presbyterium einst frei, so kann die “alte Sakristei” (jetzt Loretokapelle) nicht die ursprüngliche Sakristei gewesen sein. Sie wäre auch, als anfangs ein Priester an der Kirche amtierte, viel zu groß gewesen. Die erste Sakristei befand sich wohl in einem später im verlängerten Seitenschiff aufgegangenen Anbau an der Südwand des Presbyteriums. Spuren davon scheinen an der Mauer beim Ausgang zur Loretokapelle noch vorhanden zu sein. Als Gegenstück auf der Nordseite wurde später die jetzige Schmerzhafte Mutter Gottes-Kapelle angebaut. Wegen dieser Anbauten fehlen hier im Presbyterium die oben erwähnten Fensterblenden.

Die ältesten Kreuzgewölbe mit spätgotischen Rippen finden wir in der Kreuzkapelle. Der gewölbte Unterbau unter dem Orgelchor, der dieses bis zu den Seitenschiffen verbreiterte, stammt erst aus neuerer Zeit. In der alten Kirche war die Orgelempore bloß aus Holz und überspannte nur das Mittelschiff. In der Kirchenrechnung von 1775 steht nämlich bei der Ausgabe von 627 Rchtlr., 1 Silbergr., 3 Pfg.: “Um das Musikantenchor von Grund aus massiv zu wölben, wie auch die Chorgeländer verlängern zu lassen, die Mauer und Pfeiler am kleinen Kirchhofe (d.i. der um die Kirche gelegene) auszubessern, die Stelle zum hl. Grabe einzurichten, die Kindergruft (stand auf dem Kirchhofe) decken, die Kreuz- und Ölbergskapelle zum gewöhnlichen Gottesdienst einrichten zu lassen (sie hatten als Bauhütten gedient) und zwei neue Fenster darinnen zu machen.” Die jetzt goldgelb überstrichenen Rokokoverzierungen der Orgelbühnen-Brüstung aus Stuck nennt Lutsch “sehr anmutig”.

Das Pflaster der Kirche macht einen sauberen Eindruck. Es wurde unter Pfarrer Mache in den Jahren 1900 bis 1902 auf seine Kosten gänzlich erneuert. Die Zementsteine lieferte Fabrikbesitzer Michael sen. in Glogau.

Aus Anlaß der Fliesenlegung in hiesiger Stadtpfarrkirche zum hl. Nikolaus wurden die in derselben sich befindlichen Grüfte geöffnet und von Herrn Oberkaplan Buhl, sowie von dem Glöckner Deider am 14ten Juli 1902 besichtigt und folgendes festgestellt:

In der Gruft unter dem Nicolaus-Altar wurden 71 Stück noch durchweg in gutem Zustande erhaltene Särge vorgefunden.

In der Gruft unter dem Joseph-Altar waren 16 Stück meist schon zerfallene Särge vorhanden.

In der Gruft unter dem Carolus-Altar, welche durch eine massive Wand in zwei Hälften getheilt ist, standen in der rechten Hälfte 5 Stück schon sehr zerfallene Särge, in der linken 9 Stück ebensolche, davon waren 2 Stück Kindersärge.

Sodann wurde die am letzten Pfeiler (gegenüber dem Heinrich-Altar) befindliche Gruft geöffnet, dieselbe bar nur 1 Sarg, der gut erhalten war, bei deren Einsicht in denselben bemerkte man, daß eine Stola, sowie ein Holzkreuz, noch gut erhalten, vorhanden waren, wie das im Sargdeckel angebrachte Schild nachwies, barg die Gruft die irdischen Überreste des Hochwürdigen Herrn Stadtpfarrers Leopold Scholtze, geboren den 9. März 1707, gestorben im Januar 1772.

Die Gruft unter dem Heinrich-Altar (zu derselben befand sich der Eingang hinter dem letzten Pfeiler) barg 15 Stück schon sehr zerfallene Särge. Nähere Anhaltspunkte, wie Schilder an den Sargdeckeln, wurden nicht vorgefunden.

Die Kapellen im Nordschiff sind gleichfalls mit Grüften ausgestattet. Sie sind aber bei der Erneuerung des Pflasters nicht geöffnet worden, weil dort die Eingänge in den Kapellen selbst liegen und die Kapellen neues Pflaster nicht erhielten. Eine sehr gefällige Umrahmung enthält der Gruftstein in der Ölbergskapelle, der aber leider schon sehr abgetreten ist, weil er auf dem Wege zum Orgelchore liegt. Die Schrift ist nur noch bruchstückweise lesbar.

Auch im Innern der Kirche finden wir eine Reihe von Gedenksteinen eingemauert. Treten wir beim Hauptportal in die Kirche ein und wenden uns nach rechts, so finden wir in der Wand unter dem großen Chore das etwas beschädigte Marmor-Epitaphium für den Glogauer Bürgermeister Christian Ertel (1711-1714), das ihm sein Bruder setzen ließ. Die Inschrift lautet: “Epitaphium hoc frater fratri consul consuli pietatis ergo collocat. – Huc oculos chara patria! Hac in sacra aede requiescit a curiae curis praenobilis generosus ac consultissimus Dominus Christianus Ertel hujus urbis Triennio consul nec non ad inclytum regium ducatus officium per annos XX advocatus iuratus, qui oculos mundum aspiciens aperuit priori saeculo XXIII. Maij Anno MDCLXX clausit ex hoc abiens, pie in Domino obiens VIII Octobris Ao. MDCCXIV cuius manibus grata patria requiem precare sempiternam.” Danach war E. geboren 23. 5. 1670, 3 Jahre Bürgermeister, 20 Jahre Advokat beim Kgl. Amte und starb den 8. 10. 1714.

Links vom Hauptportal als Gegenstück zu dem ebengenannten finden wir an entsprechender Stelle das in zwei Stücke zerschlagene und beschädigte Marmor-Epitaphium seines Bruders, des Glogauer Bürgermeisters Johann Neomuk v. Ertel (1719 – 1741). Die Inschrift lautet: “Siste viator! en hic iacet et a curiae curis absolutus vita quidem temporali exutus, sed non fama mortali destitutus perillustris generosus ac consultissimus Dominus Joannes Nepomucenus ab E r t e l serenissimi Electoris Palatini Consiliarius Urbis Mega-Glogoviae per XXII ferreos annorum decursus emeritus senatu populoque reveritus Consul quondam per complures annos ad officium regium inclytum ducatus advocatus juratus Hujas Syndicus tandem senator et nobilis judicii Zaudae dicti circuli Glogoviensis assessor, qui anno Domini, MCDLXXVIII die XII Junij hunc mundum aspecit tandem sapientia praeclarus subditos laudabiliter rexit et tueri patrio amore dilexit spitium in manus Domini redidit Anno Domini MDCCXXXXI die VIII. Julij dum vixisset annos LXIII. . . In pace in idipsum dormiam et requiescam.” Danach war J. Ertel, geboren am 12. 6. 1678, 22 Jahre Bürgermeister, Kurpfälzischer Rat, Advokat am Königlichen Amte, Syndikus und Assessor beim Zaudengericht und starb den 8. Juli 1741 und wurde nach dem Begräbnisbuch “vor das Altar Sancti Martini sogenannte Braueraltar begraben” (dieser Altar stand früher am letzten Pfeiler unter dem Chore).

In der Kreuzkapelle sind in den mittleren Pfeiler zwei Gedenksteine eingemauert und zwar auf der Südseite eine gußeiserne Metalltafel für den 1838 † kgl. prinzlichen Justizrat und Stadtsyndikus Pachur und auf der Ostseite eine Sandsteinplastik für den ehemaligen Stadtpfarrer Zahn (1671 – 1692). Darunter befindet sich das bischöfliche Wappen. Die Inschrift lautet: “Reverendo Praenob(ili) ac exim(io) D(omi)no Joanni Carolo Z a h n insign Colleg. Glog. Major. Decano, S. Nicolai Parocho, Commiss(ario) ep(iscopa)li viro honorabilis memoriae, 2. Nov. 1692 pie defuncto honoris, amoris et gratitudinis ergo monumentum hoc poni fecerunt V. V. “Virgines ad s. † (= Crucem) Glog. Maior.” Danach haben die Klarissen zum hl. Kreuz in Glogau dem am 2.11. 1692 verstorbenen Dechanten am Glogauer Dome, Stadtpfarrer und Fürstb. Kommissarius aus Dankbarkeit diesen Stein setzen lassen.

Treten wir aus der Kreuzkapelle heraus, so sehen wir in der Wand zwischen der Heinrichs- und Karoluskapelle den bunt übermalten Gedenkstein für den Stadtpfarrer Leopold Scholtze (1740 bis 1772). Die Inschrift lautet: “Viator siste, ne transi, sed te ex hoc, muto lapide, disce mortalem! Scito! Sub hujus aedis sacrae lapidibus in cinere quiescit Franciscus Leopoldus Scholtze Peccator, Die miseratione sacerdos ac gratia episcopali collegiatae ecclesiae hujatis canonicus, urbis parochus, circuli archipresbyter et ducatus commissarius, qui anno 1709 die Martii 9. Natus post annos 32 ministerii sui expletos anno 1772 vita exutus. Mense Jan. die 13 ejusdem ad judicium vocatus et gratia Salvatoris ad vitam judicatus, ut in die resurrectionis cum Domino in quo speravit et credidit glorietur, e tumulo hoc resuscitandus exspectat. Vade et ex me mortuo memento mori!” Danach wurde Scholtze am 9. März 1709 geboren und starb am 13. 1. 1772, nachdem er 32 Jahre das Glogauer Stadtpfarramt verwaltet hatte.

Endlich finden wir noch einen prächtigen Gedenkstein für den Glogauer Bürgermeister Elias Joseph Jaetsch (1692 – 1711) aus braunem Marmor in die Ostseite des ersten Pfeilers auf der Evangelistenseite eingelassen. Die Inschrift lautet:

“Steh Wandrer, schau dich umb!
Dort mitten liegt verborgen
Das Haupt des Raths und Stadt
Nun frey von allen Sorgen.
Ein Stein deckt alles, was irdisch, zu
Und da genießet seine Ruh
Elias Joseph J a e t s c h,
Dem Leibe nach gestorben,
Der Seelen aber nach
Im gringsten nicht verdorben,
Weil er nur derer Heil bedacht,
Das erste aber nicht geacht.
Sein letzter Wille war:
Schreibt ein Sünder bin gewesen,
Durch Leiden Christi dich ich hoffe zu genesen
Itzt, da ich nichts verdienen kann,
So fleh‘ umb Hülff ich andre an
Dich mein ich Sterblicher,
Der Du vorüber gehest
Auch dann und wann wohl gar
Auf meinem Grabe stehest.
Schließ mich in Dein Gebete ein
Und glaub, Du wirst bald wie ich sein.”

Unten in einer Umschrift steht noch: Geboren den 5. April 1636, gestorben den 21. März 1711.

Erwähnenswert sind die aus der alten Kirche erhaltenen schmiedeeisernen Gitter an der Kreuz- und Ölbergskapelle. Ihre reiche Bekrönung zeigt Rankenwerk, Blätter, Engel und Wappen. Einfacher ist das Gitter am hl. Grabe. Das große Gitter, das die Turmhalle gegen die Kirche abschließt, ist erst 1920 wegen der Diebstahlsgefahr für 2228 Mark eingesetzt worden.

Wegen der bevorstehenden Visitationsreise des Fürstbischofs Kopp im Jahre 1893 kam Prälat und Stadtpfarrer Warnatsch 1892 am 2. September beim General-Vikariat-Amt um die Genehmigung ein, notwendige Reparaturen an der Pfarrkirche, besonders im Innern, vorzunehmen. In diesem Schreiben heißt es u.a.: “Seit 1778 ist die hiesige Kirche nicht mehr geweißt worden. Ich fand die Kirche bei der Übernahme im Jahre 1870 an allen Wandflächen und Pfeilern in den unteren Teilen bestaubt, verräuchert, ergraut und gebräunt, in den oberen Teilen vollständig geschwärzt.” Seine Vorgänger ließen von Zeit zu Zeit Abstaubungen der unteren Teile vornehmen, sahen aber von der Arbeit an den oberen Flächen wegen der “enormen Höhe” der Kirche ab. Der Grund war der, daß alle Baumeister erklärten, “daß ohne Durchrüstung des ganzen Kirchenraumes die Ausweißung nicht möglich sei und daß wegen der Höhe der Kirche nicht ein schräges Stangengerüst verwendet werden könne, sondern ein senkrechtes von gezimmerten und ineinandergefügten Balken aufzuerbauendes Gerüst durchaus notwendig sei, dessen Kosten diejenigen des Anstriches um mehr als das zehnfache übersteigen würden.” Warnatsch trat daher mit dem Malermeister Adolf Reichelt aus Glogau in Verbindung, der durch ein sog. Hängegerüst die gleiche Arbeit zu leisten versprach. Weil hierzu aber taustarke Löcher in die Gewölbe gebohrt werden mußten, so ließ es der Kirchenvorstand erst auf einen Versuch im Presbyterium und im halben Mittelschiff ankommen. Die Arbeit fiel zur vollsten Zufriedenheit aus, so daß die ganze Kirche nach diesem System ausgeweißt wurde. Die Kosten beliefen sich auf etwa 1500 Mark. Die Arbeit wurde während der Sommerzeit ausgeführt. Der Pfarrgottesdienst fand in dieser Zeit vom 12. bis 14. Sonntag nach Pfingsten vorübergehend in der katholischen Gymnasialkirche statt. Übrigens war die Kirche in den unteren Teilen im Jahre 1846 ausgeweißt worden, was Warnatsch in einer Darstellung entgangen zu sein scheint. 1911 wurde von dem Reinigungsinstitut “Wratislawia” zu Breslau die Reinigung und Entstaubung der Kirche in den Monaten Juni und Juli mit dem Vakuum-Reinigungsapparat vorgenommen. Es wurden auf diese bequeme Weise nicht bloß die Wände und Gewölbe, sondern auch die Altäre, Bilder, Statuen und die Fenster von außen und innen gereinigt. Die Kosten beliefen sich auf etwas über 1100 Mark.

1916 erhielt die Kirche eine elektrische Beleuchtung für die Eingänge zur Kirche, die Sakristei, Kommunionbank, Loretokapelle, den Gang bei den Beichtstühlen und das Orgelchor. Die Anlage übernahmen die Glogauer städtischen Elektrizitätswerke für ungefähr 3000 Mark ohne die notwendigen Maurerarbeiten.

Fortsetzung folgt

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